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Einleitung (17.09.2025)
Meine Kurzgeschichten sind inhaltlich und formal sehr vielfältig, sehr originell und auch sehr innovativ.
Sie unterscheiden sich daher von den unendlich vielen Kurzgeschichten vieler anderer Autoren. Sie haben trotz ihrer Vielfältigkeit einen Wiedererkennungwert.
Diese Kurzgeschichten wären es bestimmt wert, in einem größeren Rahmen veröffentlicht zu werden. Aber mir fehlt die Zeit, mich darum zu kümmern. Und meine Sachtexte sind mir letztlich doch noch wichtiger als meine belletristischen Texte.
Aber vielleicht "verirrt" sich ja einmal ein Lektor auf diese Homepage und setzt sich für die Kurzgeschichten ein, eventuell auch für die von mir "Proesie" genannten Prosa-Gedichte.
Für weitere Informationen verweise ich auf das Hauptkapitel "Ben Belletristik".
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Inhalt
15 Der Horror-Lektor
14 Bis dass der Tod uns vereinigt
13 Du bist doch besoffen
----- Pause -----
12 Das Rennen: Golf gegen Ferrari
11 „Oh mein Gott, wie schrecklich!“
10 „Oh mein Gott, wie schrecklich!“/ weibliche Fassung
9 Die Mutter aller Verschwörungstheorien
8 Tod eines Kritikers
7 Dem Schmitz seine Frau
6 „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus“
5 Zaubermaus – oder – die Lügen der Männer
4 Der Unsterbliche?
3 Heimfahrt – Die Öko-Version
2 Heimfahrt
1 Der Schnäppchen-Mann
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(Die nächsten Texte müssen teils noch weiter formatiert werden.)
15 Der Horror-Lektor. Oder das Drama des begabten Autors.
In einem großen Verlag in der Nähe von H.: Der Lektor sitzt missmutig, Nägel kauend hinter seinem Schreibtisch. Da hat ihm doch schon wieder so ein Schreiberling ein Manuskript geschickt. Die Autoren sind frech und dumm; frech, weil sie ihm einfach unaufgefordert ihre Manuskripte ins Haus schicken, und dumm, weil sie glauben, ihre Texte würden je genommen.
Er hat schließlich anderes zu tun, als diese Schmiertexte zu lesen. Lieber träumt er von dem Ruhm, den er erringen wird, wenn er selbst einmal einen großartigen Roman veröffentlichen wird. „Die Puttenbrocks - Auf der Suche nach dem verlorenen Schloss“, soll er heißen, eine Mischung aus Thomas Mann, Franz Kafka und Marcel Proust – dann müsste die Literaturgeschichte neu geschrieben werden.
Wenn er ehrlich ist, er hat keine Ahnung, wie er die Qualität und die Erfolgsaussichten eines Textes beurteilen soll. Meistens befragt er sein Pendel, aber die Antworten aus dem Übersinnlichen sind auch nicht immer verlässlich. Am liebsten sind ihm Lizenzausgaben; wenn ein Buch schon im Ausland Erfolg hatte, dass wird es doch wohl auch bei den dussligen deutschen Lesern Anklang finden.
Klar ist die Entscheidung, wenn der Chef irgendeine Verwandte oder Bekannte anbringt, die bekommt natürlich einen Vertrag. Oder wenn eine VIP anruft, die einen Autor sponsert und dem Verlag dafür eine Spende überweist. Es wird gemunkelt, dass manche junge Autorin sich schon einen Vertrag mit Sex ergattert hat. Leider hat er nie ein entsprechendes Angebot erhalten – natürlich, der Cheflektor und der Verleger, diese geilen Säcke, die greifen sich das ab.
Normalerweise antwortet der Lektor gar nicht auf Autorenschreiben und schickt die Manuskripte auch nicht zurück, der Reißwolf will schließlich auch etwas zu fressen haben. Oder er schickt Formbriefe: „ ... passt leider nicht in unser Verlagsprogramm ...“. Dabei kichert er glucksend, wenn er sich die bedröppelten Mienen der Autoren vorstellt.
Aber diesem besonderen Autor wird er einmal persönlich antworten – um ihn richtig fertigzumachen. Denn dieser Autor hat wirklich Talent, das spürt er irgendwie, und das geht gar nicht. Bildet der Kerl sich wohl ein, nur weil er Talent hat, müsste sein Dreckstext auch genommen werden. Mit mir nicht: „Leider erfüllt Ihr Text nicht die geringsten literarischen Kriterien.“ Er prustet los mit seiner grunzenden Lache, windet sich vor Schadenfreude, wischt sich dann die schmierigen, schuppenbehafteten Resthaare mit seiner fettigen, wulstigen Hand aus dem Gesicht.
Ja, beim Ablehnen, da hat er noch etwas zu bestimmen. Beim Annehmen eines Manuskriptes haben aber heute die Vertriebsleute das Sagen. Diese Heinis, faseln von Marktgängigkeit, Trendtexten usw. und lehnen von ihm vorgeschlagene Texte ohne mit der Wimper zu zucken ab. Inzwischen hat er richtig Angst, einen Roman vorzuschlagen, er will sich nicht durch er-neute Ablehnungen kränken lassen. Wenn er sich nur einmal trauen würde, auf den Tisch zu hauen und diese Kulturbanausen in ihre Schranken zu verweisen!
Apropos Kränkung. Einmal hat er selbst eine Textprobe von seinem großen Werk an einen anderen Verlag geschickt. Die kam zurück mit der Notiz: „Lernen Sie erst einmal richtig schreiben! Und versündigen Sie sich nicht an den Klassikern!“ Welche Schmach, das ihm, dafür wird er sich rächen! Also fügt er seinem Brief an den Autor hinzu: „Mein lieber junger Herr, werden Sie Klempner, Briefträger oder notfalls Proktologe, solche Leute braucht es, als Autor sind Sie unzumutbar.“
Sein Meisterstück machte er aber mit einem anderen Autor. Er ließ ihn den Text dreimal umschreiben, machte ihm immer wieder Hoffnung, um dann zum Schluss doch noch abzulehnen (wie natürlich von Anfang an beschlossen): „Die erste Fassung war noch die beste.“ Er grinst tückisch, als er daran denkt.
Dann kratzt er sich genüsslich. Wenn es ihn nur nicht immer so jucken würde, hoffentlich hat er keine Filzläuse. „Das sind alles die Autoren schuld“, wütet er, „die schicken mir bestimmt verseuchte Manuskripte.“
Aber er sollte sich wirklich auch angewöhnen, die Wäsche öfters zu wechseln. Neulich wandte sich sogar sein Hund angewidert von ihm ab, er roch so streng, eine Beleidigung für die sensible Hundenase.
Doch seitdem seine Frau ihn verlassen hatte („Und Tschüss, du verhinderter Goethe“), vernachlässigte er sich zusehends. Einige Versuche, andere Frauen kennen zu lernen, waren kläglich gescheitert, so blieben ihm nur Pornofilme und die Hand in der Hose.
Einmal hatte ihm ein Witzbold den Originaltext „Der Idiot“ von Dostojewski geschickt. Der Lektor hatte den Text nicht erkannt und ihn abgelehnt, schon der Titel „Der Idiot“ sei indis-kutabel. Der Witzbold hatte die Geschichte im Internet veröffentlicht, und der Lektor wurde, gerade auch für Kollegen, zur Spottfigur. Als er daran denkt, bleckt er die Zähne vor Wut.
Noch schlimmer für seine Karriere war aber, dass er einen Fantasy Roman als „kindisches Geschreibsel“ ablehnte, und dieser Roman dann bei einem anderen Verlag zum Bestseller wurde. Da lud ihn der Verleger vor und ermahnte ihn dringlich, nicht noch einmal eine solche Fehlentscheidung zu treffen: „Sonst könnte ich zu der Meinung kommen, dass Ihre Einstellung auch eine Fehlentscheidung war, die schnellstens korrigiert werden muss.“ Der Lektor verbeugte sich devot und versprach winselnd Besserung.
Und schon bald schien eine Gelegenheit dafür zu kommen. Eigentlich hasste er persönliche Autorenkontakte, aber diesmal hatte eine junge Autorin ein Bild mitgeschickt – rattenscharf sah die aus. Schreiben konnte die Blondine nicht, aber sie hatte tolle Titten, die erigiert durch die Bluse stachen. Er ging zum Verleger und sagte: „Wenn wir nur genügend Geld in die Werbung stecken, dann können wir aus dem Gekritzel von diesem Mäuschen einen Bestseller machen: laszive Posen, sexistische Fotos und das ganze Gedöns, Sie wissen schon.“
Aber da hatte er den Verleger auf dem falschen Fuß erwischt: „Wir sind ein seriöser Verlag, wir sind der Kultur verpflichtet, ja der Hochkultur, so etwas machen wir nicht – außerdem, so oberaffengeil finde ich diese Titten gar nicht ...“ Seitdem saß der Lektor auf einem Schleudersitz.
Dumpf stierend schlurft er aus dem Büro, die Sekretärinnen gucken ihm verächtlich bis mitleidig hinterher, er hört sie tuscheln. „Der ist auch bald weg vom Fenster, ist ja untragbar.“ Der Lektor ballt die Faust; bis sie ihn rausschmeißen, wird er jedes Manuskript ablehnen, das schwört er sich, keinem von diesen verdammten Autoren gönnt er einen Erfolg. Eine Welt von Abscheu liegt in seinem Blick.
14 Bis dass der Tod uns vereinigt … (16.09.2025)
„Da kommt Theo, die arme Socke“, sagten die Leute. Oder: „der arme Teufel“, „der arme Hund“, schlimmstenfalls „die arme Sau“. So und ähnlich lauteten die wenig schmeichelhaften Kommentare über ihn. Zwar zeigten sie auch etwas Mitgefühl, aber doch viel mehr Herablassung, fast Verachtung.
Allerdings war Theo wirklich eine arme Socke – was immer Theo anfing, es ging schief: Frauen, Beruf, Geld, Spielen.
Er hatte nur eine große Liebe: Autos. Auf ihn passte wirklich der alberne Werbespruch von VW: „aus Liebe zum Automobil“. Aber das war leider eine sehr einseitige, unerwiderte Liebe. Denn Theo hatte kein Geld, sich ein Auto zu kaufen. Gut, vielleicht hätte er sich einen 10jährigen, angerosteten Fiat Panda zusammenschustern können. Aber eins war Theo klar: lieber ging er sein Lebtag zu Fuß, als sich in so ein armseliges Gefährt zu setzen.
Denn was Autos betraf, so hatte Theo einen exquisiten Geschmack: Er bewegte sich in der Welt von Rolls Royce, Porsche, Lamborghini und Ferrari. Natürlich nur in seiner Vorstellung bzw. im Internet bzw. auf seinen endlosen Gängen durch die Stadt, wo er immer hoffte, einen besonderen Traumwagen mit dem Blick und der Kamera zu erhaschen.
Für ihn war so eine „bella machina“ reizvoller als jede noch so hübsche Frau, er fand die Formen eines von Pininfarina designten Autos viel ästhetischer als einen Frauenkörper, die gerundete Karosserie eines klassischen Jaguars imponierten ihm mehr als alle weiblichen Rundungen.
Und das brabbelnde Geräusch eines V8-Motors oder das heiserne Röhren eines Sportauspuffs, möglichst mit einer 4-fach Auspuffanlage, waren ihm lieber als eine glockenreine Mädchenstimme. Ja, er roch sogar lieber die Abgase eines 12-Zylinders als das teuerste Ladyparfum. Man konnte seine sexuelle Ausrichtung „Auto-Erotik“ nennen, er war wirklich „auto-phil“.
Wenn Theo einen Supersportwagen vor sich sah, konnte es durchaus sein, dass er eine Erektion bekam. Aber das war ihm fast unangenehm. Denn einerseits liebte er diese Autos in einer so reinen, so innigen, fast spirituellen Weise, dass alle sinnlichen oder sexuellen Erregungen eher störend wirkten, fast die Keuschheit dieser Liebe beleidigten.
Aber andererseits war da doch das sehr sinnliche, ja sexuelle Begehren nach so einem Traumcar: er wollte es besitzen, „befahren“, mit ihm den lustvollen Rausch der Geschwindigkeit, den Akt der explosiven Beschleunigung erleben – also der durchaus körperliche Wunsch, mit dem Objekt seiner Begierde wirklich in Kontakt zu kommen, intim zu werden.
Zwar konnte er Superautos auf der Straße sehen, hören und riechen. Aber anfassen durfte man sie nicht. Entweder ging die Alarmanlage an oder der Besitzer ging hoch. Man wurde verdächtigt, das Auto zu klauen, aufzubrechen oder jedenfalls zu zerkratzen. Einmal war Theo sogar von der Polizei festgenommen werden. Nein, so sehr es ihn auch danach drängte, die Karosse eines solchen Traumgefährts anzufassen, seine Formen zu betasten, es zärtlich zu streicheln – das traute er sich nicht mehr.
Eines Tages saß Theo in seinem kleinen Zimmerchen – und in einem Moment wurde ihm vollkommen klar: „Ich werde mir nie ein Luxusauto leisten können, niemals, bis an mein Lebensende nicht.“ Das traf ihn wie ein Schock. Bisher hatte er sich klammheimlich immer noch Hoffnungen gemacht, irgendwann einmal zu Geld zu kommen und dann …“Nein, das ist nur Selbstbetrug“, sagte er sich, „das wird nie sein.“
Aber auf Dauer nur in platonischer Liebe zu diesen Edel-Autos zu leben, das schien ihm auch unerträglich. Lieber wollte er aus dem Leben scheiden.
Da kam ihm plötzlich eine Eingebung: Ja, er würde aus dem Leben scheiden, aber er würde sich von einem absoluten Traumwagen überfahren lassen. Von so einem göttlichen Gefährt in den Himmel befördert zu werden, das war ein grandioser Gedanke, das war ein lohnendes Endziel. Allerdings wollte er sich nicht rein passiv überrollen lassen, sondern er würde dem geliebten Car entgegenspringen, um es mit seinem ganzen Körper und seiner ganzen Seele zu umarmen.
Und indem er von einem solchen Mega-Gefährt überfahren würde, wäre das ganze Elend, die ganze Armseligkeit seines Lebens hinweg gewaschen. Mit so einem unheimlich starken Abgang könnte er sein gesamtes Minusleben in der Schlusssekunde noch ins Plus drehen, das erste und das letzte Mal in seinem Leben wäre seine Existenz großartig, wäre er selbst großartig.
Und so könnte er auch seine große Liebe beweisen. Theo war kein Denker, aber irgendwie spürte er: seine Liebe war die aller großen Liebenden, man ist bereit, sein Leben zu opfern für die Hingabe an den geliebten Anderen.
Im Grunde bedeutete jede Liebe einen – seelischen – „Tod“, nur durch Aufgabe des eigenen Egos konnte man richtig, vollendet lieben. Aber in seinem Fall ging es nicht nur einen „Tod“ des Egos, sondern auch um den Tod des Körpers, um so größer war sein Opfer, um so heroischer sein Liebesbekenntnis.
Allerdings strebte er auch nach einer gleichsam sexuellen Vereinigung. Durch die Kohabitation mit einem Edel-Auto, obwohl es ein schmerzlicher, ja tödlicher Liebesakt werden würde, oder gerade deshalb, dürfte er endlich ganz körperlich dieses Auto spüren, fühlen, erleben. Und dadurch, dass reine Liebe und sexuelle Begierde zusammenträfen, würde es eine ganz besondere, vollendete Vereinigung werden.
Aber von was einem Auto sollte er sich überfahren lassen? Unnötig zu sagen: Überhaupt nicht in Frage kam irgendein beliebiges, billiges, gesichtsloses oder hässliches Gefährt, vor allem kein Kleinstwagen oder Kleinwagen: Corsa, Lupo, Twingo, Fox, Ford K, all diese Seifenkisten fand er schauerlich, und es nervte ihn, dass gerade viele Besitzer solcher Minis besonders aufdringlich und aggressiv fuhren, vielleicht um ihren Frust zu überkompensieren, dass sie mit so einem Playmobil unterwegs waren.
Nein, sein Begräbniswagen musste ein ganz besonderes Top Car sein.
Theo überlegte, er hatte viele Traumwagen, alte und neue. Zum Beispiel den Ford Mustang, ein herrlich geschnittenes, sehr maskulines Muscle Car, besonders die frühen Modelle, der 60er und 70er Jahre. Aber die Wahrscheinlichkeit, auf so einen Wagen zu treffen, war sehr gering. Und ständig vor einem Händler mit gebrauchten US-Cars rumzuhängen, das hatte wenig Sinn.
Sicher, Porsche 911 turbo, ein toller Sportwagen. Aber für seinen Tod sollte es doch etwas Ausgefalleneres sein; vielleicht ein getunter Porsche, z. B. von Ruf mit fast 500 PS, oder ein GT3, das ginge, aber so einen Porsche zufällig auf der Straße anzutreffen, war noch unwahrscheinlicher als einen alten Mustang.
Eine besondere Faszination empfand Theo auch für Lamborghini. Schon den kantigen, Alien-artigen Countach hatte er vor Jahren wie ein höheres Wesen verehrt, und als er einmal auf der Straße ein knallrotes Prachtexemplar sah, überfiel ihn ein solches Entzücken, dass es sich schließlich in einem Weinkrampf löste. Aber den Countach gab es kaum noch … Besonders gefiel ihm auch der Lamborghini Diablo, und es würde gut passen, von einem Teufel ins Jenseits befördert zu werden.
Doch je länger er überlegte, desto mehr wurde ihm klar: Fast alle seiner Traumwagen hatten eine männliche Optik, gerade Linien, harte Schnitte, Ecken; das Extrem war der kantige Countach. So ein Auto selbst zu fahren, sich mit seiner männlichen Energie zu identifizieren und zugleich aufzuladen, das wäre der Traum gewesen. So ein Auto konnte sein bester Freund sein.
Aber überfahren lassen wollte er sich lieber von einem Auto mit einer weiblichen Ausstrahlung. Denn unabhängig von seiner Liebe, dieser Zusammenstoß war für ihn ja ein sehr körperlicher, sexueller Akt. Und eine solche Verbindung wollte er nur mit einem weiblichen Wesen eingehen, er war nämlich eindeutig hetero-auto-sexuell oder auto-heterero-sexuell.
Bei den Kleinwagen gab es viele gerundete, ja allzu rundliche, aber Supersportwagen mit weiblichen Formen und Rundungen gab es aktuell kaum welche. Etwas gerundet war zwar der Porsche 911, aber er wirkte eher androgyn. So dachte Theo eher an einen Youngtimer oder Oldtimer, z. B. den Laborghini 400 GT oder den Porsche 928 oder den Jaguar E-Type, ein absoluter Traumwagen, dessen sexuelle Ausrichtung allerdings auch nicht eindeutig war.
Aber diese älteren Modelle traf man extrem selten. Doch der Jaguar E-Type war schon ein Fingerzeig: überhaupt ein Jaguar, die Wildkatze, edel, elegant und gefährlich, das würde wunderbar passen. Nur welcher Jaguar? Die neuesten Modelle wie der Jaguar F-Type oder der XJR sahen auch ziemlich männlich aus.
Theo vertagte die Entscheidung erst einmal. Denn er war sich auch bewusst: er konnte sich nicht auf einen ganz bestimmten Supersportwagen festlegen, sonst musste er vielleicht ewig warten und starb vorher an Altersschwäche. Er musste flexibel sein, je nachdem, was für ein Wagen ihm unterwegs begegnete, würde er sich spontan entscheiden.
Seitdem veränderten sich seine Gänge durch die Stadt. Die Kamera ließ er zu Hause, die brauchte er nicht mehr, es gab keine Zukunft mehr für ihn, die es sinnvoll machte, Fotos zu schießen und zu sammeln. So zog er Tag für Tag durch die Straßen, oft von vormittags bis abends. Oft summte er leise den Song von Udo Lindenberg: „Und jetzt knallst du in mein Leben, und ich kann mich nur ergeben. Du kommst wie’n Überfallkommando, und ich bin k.o.“
Eines Tages erlitt Theo fast einen Unfall. Plötzlich sah er einen gelben Ferrari Enzo die Straße entlangfahren, eine absolute Rarität, wenn auch mit deutlich männlicher Optik. Dennoch: „Das ist die Gelegenheit“, sagte sich Theo. Er stellte sich unauffällig an die Bürgersteigkante, alle Muskeln gespannt, um loszuspringen, wenn der Wagen noch etwa 2 - 3 Meter entfernt war.
Schon schnellte er hoch, da überkam ihn in letzter Sekunde Zweifel. Ein gelber Ferrari, das passte einfach nicht, das war nicht edel genug für seinen Abschied. Gelb, diese Farbe stand für die Post, gleichgültig, was für ein toller Wagen der Enzo auch war, es wäre letztlich ein Gefühl, als wäre man vom Kleintransporter des DHL-Paketboten umgefahren worden, unerträglich. So zuckte Theo im letzten Moment zurück, wobei er sich leicht am Bein verletzte. Traurig humpelte er nach Hause – er war so nah dran gewesen.
An einem sonnigen Morgen hatte Theo plötzlich das Gefühl: „Heute ist mein Tag, mein großer Tag.“ Heute würde er endlich „Geschlechts-Verkehr“ haben, in der wahrsten Bedeutung dieses Begriffs. Er zog seine besten Sachen an, allerdings waren auch die ziemlich schäbig. Dann ging er los. Stunden und Stunden lief er durch die Stadt, aber er begegnete keinem Auto, das würdig gewesen wäre, ihm einen vollendeten Tod zu bringen. Sollte sein Gefühl ihn getäuscht haben? Es dämmerte schon und er beschloss, sich auf den Heimweg zu machen.
Da sah er ihn in der leichten Dämmerung heranrollen: einen Jaguar XKR. Als Autoliebhaber erkannte Theo sofort: Es war das ältere Model X100, das von 2002 bis 2005 gebaut wurde. Und das ihm immer besser gefallen hatte als der neuere X150. Dieser Jaguar X100 sah wirklich feminin aus, zugleich grazil und dynamisch, wie eine Raubkatze auf dem Sprung –
und das mit 510 PS.
Eigentlich hatte er diesen Jaguar nicht auf der Rechnung gehabt, aber plötzlich spürte er, das war genau der richtige Wagen für ihn, die ideale Partnerin für eine Himmelfahrt.
Langsam kam er näher. Theo beobachtet ihn aus den Augenwinkeln, blieb noch in Deckung. 10 Meter, 5 Meter, jetzt lief Theo los. „Geliebte, ich komme“, rief er aus und sprang direkt in den Jaguar hinein.
Der erwischte ihn voll, wie ein Prankenhieb. Und in diesem, seinem letzten Augenblick erlebte Theo ein orgiastisches Gefühl von Liebe, Lust und Erlösung, dass ihn für sein ganzes erbärmliches Leben entschädigte.
Der Fahrer hatte quietschend gebremst, aber es war zu spät. „Was für ein Assi ist mir denn da vors Auto gelaufen!“ fluchte er. Er stieg aus und schaute nach der Front seines Autos: Die Motorhaube hatte eine große Beule, der linke Kotflügel war auch eingedellt, und es lief irgendetwas aus“. „Und Blutflecke auf der Stoßstange“, sagte er angewidert. „Jenny, du kannst beteuern, dass ich nicht zu schnell gefahren bin. Ich konnte nichts dafür, verdammt, jetzt komme ich zu spät zum Pokerabend.“
Jenny guckte ihn an. „Rede nicht so hart über den Mann, das ist bestimmt eine ganz arme Socke, so wie der angezogen ist.“ „Ist mir egal, ruf schnell die Polizei an und den Rettungsdienst, obwohl, den Notarzt braucht der Typ bestimmt nicht mehr. Ich will in der Zeit mal versuchen, ob ich das Blut abwischen kann.“
Theo lag mit merkwürdig verdrehten Gliedern vor dem Jaguar. Jenny guckte ihn nachdenklich an: „Schau mal, er sieht so glücklich aus.“ Und wirklich: Theos Gesicht zeigte ein Lächeln. Er lächelte so selig, wie es nur ein Liebender kann, dessen Liebe erwidert wurde. Aber sein Gesichtsausdruck zeigte auch Würde, er sah irgendwie hoheitsvoll aus, fast wie ein König.
Epilog
Und so vollendete sich hier die Symbiose von Mensch und Auto. Knochen und Metall verkeilten sich ineinander, Körper und Karosserie beulten sich zusammen. Blut und Benzin, Samen und Motorenöl hatten sich gemischt. Hier knallte zusammen, was zusammengehört. Und so vollzog sich in einem höheren Sinn auch eine Versöhnung von Natur und Technik.
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13 "DU BIST DOCH BESOFFEN!"
(16.09.2025)
Eine Geschichte in Form eines Theaterstücks
Karl sitzt betrunken in der Wirtschaft, alleine an einem Tisch. Er hat 5 leere und 15 volle Biergläser vor sich stehen, die vollen Gläser in einer Reihe geordnet. Die Kneipe ist ziemlich leer, nur drei Männer stehen an der Theke und unterhalten sich mit dem Wirt.
Karl nimmt das 6. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der PFARRER kommt in die Kneipe.
Pfarrer: „Ach, das sitzt ja der Karl, der arme Sünder. Karl, komme bald zur Beichte in die Kirche, damit dir deine Sünden vergeben werden. Denn wisse, der Herrgott freut sich gar sehr, wenn ein verirrtes Schäfchen zur Herde zurückkommt.
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Pfarrer: „Unverschämtheit, du gottloser Geselle. Aber warte nur, wenn du dein sündiges Leben nicht aufgibst, wird dich der Teufel holen, so war ich ein Gottesmann bin.” - Der Pfarrer verlässt fluchend die Kneipe.
Karl nimmt das 7. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der ARZT kommt herein.
Arzt: „Ach, das sitzt ja der Karl, mein Sorgenpatient. Karl, wenn du weiter so trinkst, machst du deine Leber kaputt. Du wirst vielleicht 10 Jahre kürzer leben. Komm mal nächste Woche in die Praxis, dann teste ich deine Leberwerte. Natürlich als Igel-Leistung.
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Arzt: „Dir ist nicht zu helfen, du Säufer. Sauf dich nur ins Delirium. Aber dann bist du zu gar nichts mehr nutze. Jetzt wärst du wenigstens noch als Organspender zu gebrauchen. Ich hätte da einen Interessenten für eine Niere, der würde gut zahlen. Überlege es Dir.” - Der Arzt verlässt kopfschüttelnd die Kneipe.
Karl nimmt das 8. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und eine PROSTITUIERTE kommt in die Wirtschaft.
Prostituierte: „Hallöchen, Karl. Ich hatte heute einen Supertag, nur Premium-Freier, pass auf, Karl, ich mache heute mal umsonst die Beine für dich auf, wirklich für lau. Dann kannst du armes Würstchen auch mal einen versenken.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Prostituierte: “Hör mal zu, du besoffenes Schwein. Wenn ich mich herablasse, dir einen Freifick anzubieten, dann hast du dankbar sein. Aber du Wicht kriegst ja sowieso keinen mehr hoch. Pass bloß auf, sonst sage ich meinem Zuhälter, du hättest mich vergewaltigt, was meinst du, was du dann für einen Ärger bekommst. - Die Prostituierte verlässt fußstampfend die Kneipe.
Karl nimmt das 9. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und ein
PSYCHOANALYTIKER kommt herein:
Psychoanalytiker: “Ach Karl, du bist auf der oralen Stufe stehen geblieben, du willst alles in deinen Mund reinsaugen. Wir müssen dringend einmal deine Mutterbeziehung aufarbeiten, du hast sicher einen Ödipus-Komplex. Du trinkst nur so viel, weil du eigentlich noch an der Mutterbrust saugen willst.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Psychoanalytiker: “Ja, du bist wohl nicht für eine Psychoanalyse brauchbar. Freud sagte: Wo ES war, soll ICH werden. Aber du bist noch ganz im Es gefangen, also in deinen Emotionen und Trieben. Dein Ich ist völlig verkümmert, dein Über-Ich nicht vorhanden. Gut, vielleicht könnten wir trotzdem dein Ich aufbauen. Aber das Problem ist: Du kannst bestimmt nicht meine Rechnungen für zehn Jahre Psychoanalyse mit 5 Wochenstunden bezahlen. - Geld zählend geht der Psychoanalytiker aus der Kneipe.
Karl nimmt das 10. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und seine MUTTER kommt herein.
Mutter: “Ach Karl, mein Junge, da sitzt du nun schon wieder hier und trinkst. Willst du denn deine arme Mutter ganz unglücklich machen?! Ich hatte so große Hoffnungen auf Dich gesetzt. Und du solltest mir doch meinen Lebensabend finazieren.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Mutter: “Na warte, Bürschchen, komm du mir mal nach Hause. So redet man nicht mit seiner Mutter. Ach hätte ich doch damals nur auf meine Freundin gehört und dich Balg abgetrieben. Oder hätte ich dich wenigstens nachher ins Heim gesteckt. Du hast so ein liebevolles Mutterherz gar nicht verdient. Ich habe dich doch immerhin 3 Tage gestillt, dann musste ich natürlich an meine Figur denken.” - Die Mutter verlässt schluchzend die Kneipe.
Karl nimmt das 11. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der VATER kommt herein.
Vater: “Karl, mein Sohn, du trinkst viel zu viel. Du musst sehen, dass du noch etwas aus deinem Leben machst. Kann ich dir helfen? Du weißt doch, ich habe da einen Freund bei der Versicherung. Die können immer Vertreter gebrauchen. Quatschen kannst du doch, dann kannst du doch auch irgendwelchen Leuten Versicherungen aufquatschen.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Vater: “Hey, du alter Jammerlappen, nun reiss dich mal zusammen, einen Säufer als Sohn ist ja fast ja so schlimmer als einen Schwulen. Wärst du nur zum Bund gegangen, dann hätte die dir schon Manieren beigebracht! Du bist nicht mehr mein Sohn.” - Der Vater bestellt beim Wirt drei Klare, kippt sie in Sekundenschnelle und wankt aus der Kneipe.
Karl nimmt das 12. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der POLIZIST kommt herein.
Polizist: “Na, wieder am saufen, Karl. Gehe doch mal zu den anonymen Besoffenen oder wie die heißen. Und wenn du dann 5 Jahre trocken bist, schaue ich mal, ob ich vielleicht auf der wache einen Aushilfsjob für dich habe: wir brauchen einen, der die Papierkörbe, Kaffetassen und Papierkörbe leert.
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Polizist: “Hör zu, du Ratte. Das ist Beamtenbeleidigung. Du bist schon lange ein Ärgernis für mein Revier, ich dulde keine Säufer in meinem Reich. Na warte, ich und meine Kollegen, wir kriegen dich schon noch. Wir warten darauf, dass du einmal betrunken ins Auto steigst. Dann sind wir da und schnappen dich. Oder wenn du irgendwo Streit anfängst. Ich habe Idee, wir bewerfen dich mit Bierflaschen, und wenn du dich wehrst, ist das Widerstand gegen die Staatsgewalt und wir sperren dich ein.
Oder noch besser: Ich telefoniere gerade mal nach SEK, sage denen, du wärst Islamist, und würdest hier Bier trinken. Die Typen sind so dumm, das zu glauben. Aber ich verspreche dir: du wirst dich wundern, wie humorlos diese SEK-ler sind, mit den wirst du also viel Spaß haben.” - Der Polizist verlässt die Kneipe, die Hand drohend zur Faust geballt.
Karl nimmt das 13. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und eine OPTIMISTIN kommt herein:
Optimistin: ““Karl, sei fröhlich, lache, singe, tanze - das Leben ist so schön, schau, der Himmel ist blau, die Sonne lacht, die Vöglein singen. Wir leben in einer wonderful world, in einer beautiful world, I feel fine, I’m so glad.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Optimistin: “Ach, du Negativist, du Nihilist, du Pessimist, mit deiner Fresse machst du einen Anschlag auf meine gute Laune. Es ist Pflicht, gut drauf zu sein. Und es ist ein Egoismus, eine Rücksichtslosigkeit von dir, hier so miesepetrig rumzuhängen. Wegen dir Miesling muss ich jetzt zum Psychiater und mir Antidepressiva verschreiben lassen, damit ich nur nicht aus meinem High abstürze.” - Sie zeigt ihm den Mittelfinger und verlässt wutschnaubend die Kneipe.
Karl nimmt das 14. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der SOZIOLOGE kommt herein.
Soziologe: “Aha, hier sieht man, wo es hinführt, wenn die kapitalistische Leistungsgesellschaft einen Menschen mit ihrer enormen Komplexität überfordert. Du Karl willst durch das Trinken eine Reduktion der Welt-Komplexität zu erreichen. Du müsstest stattdessen aber versuchen, deine Eigen-Komplexität so zu erhöhen, so dass sich der Freiheitsraum deiner Handlungskompetenz signifikant steigert und du mehr funktionale Äquivalenzen zum Trinken herausbilden kannst.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Soziologe: “Na ja, wissenschaftlich-soziologisch gesprochen bist du einfach ein asoziales Subjekt bzw. auch nur Objekt, kurz ein Assi. Dafür kann man dann schließlich nicht die Gesellschaft verantwortlich machen, hier kann auch die systemtheoretische Soziologie nicht weiterhelfen, weder die funktional-strukturelle noch die strukturell-funktionale, sondern nur ein Tritt in den Hintern.” - Notizen machend, geht es aus der Kneipe.
Karl nimmt das 15. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der PHILOSOPH kommt herein.
Philosoph: “Aha, der Karl. An der Flasche. Aber sind wir nicht eigentliche alle Säufer? Und ist das ganze Universum nicht eigentliche eine unendlich große Flasche? Wir saufen das Leben ins uns rein, wir sind gierig, weil wir auf der Suche sind, auf der Suche nach dem Absoluten, dem Transzendenten, dem Universalen. Du Karl als konsequenter Säufer bist gewissermaßen unser Vorreiter oder Vorsäufer, pars pro toto, du säuft er für uns alle mit, um uns von unserem Hunger nach Sinn zu erlösen.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Philosoph: “Hör mal zu, Karl, wenn ein Philosoph spricht, hat so ein Dummbeutel wie du zu schweigen. Du bist eine Dumpfbacke, ein Null-Denker, ein Schwachkopf, ein Vollpfosten, ein Superhirni, ein Alzheimerling. - Der Philosoph verlässt die Kneipe, während ein weiter vor sich hinmurmelt: “ein Vollidiot, ein Schwachsinniger, ein ...”
Karl nimmt das 16. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und Der LOGIKER kommt herein.
Logiker: “Alle Menschen saufen, Karl ist ein Mensch, also säuft Karl. Das ist absolut logisch. Wir können auch sagen: Wenn alle Menschen nicht saufen würden und Karl säuft, dann wäre Karl kein Mensch. Das ist auch logisch. Oder mal anders: Wer Kölner ist, der säuft, und wer säuft, der ist auch besoffen. Wenn Karl Kölner ist, dann ist er auch besoffen.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Logiker: “Hör mal zu, du “homo irrationale”, ein Logiker hat immer recht. Kennst du nicht den “Satz des Widerspruchs”. Der heißt: Widerspreche niemals einem Logiker - er könnte sonst eine Bierflasche nach dir schmeißen. Oder der “Satz vom ausgeschlossene Dritten”: Man ist entweder nüchtern oder besoffen, ein Drittes gibt es nicht. Aber stimmt das überhaupt? Ich muss mal darüber nachdenken.” - Grübelnd verlässt der Logiker die Kneipe.
Karl nimmt das 17. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der humanistische PSYCHOLOGE kommt herein.
Psychologe: “Na Karl, du hast bestimmt Sorgen und darum säufst du. Ich verstehe dich und bin betroffen. Aber du weichst nur aus, du musst dich deinen Gefühlen stellen, lass deinen Schmerz und deine Angst mal raus. Ruf mal nach deiner Mami, so wie es das kleine Karl getan hätte, bitte sie um Hilfe.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Psychologe: “Ja, du willst gar nicht gesund werden, du spielst ein neurotisches Spiel mit mir, aber das mache ich nicht mit. Du suchst die Schuld immer bei anderen, dabei bist du selbst schuld. Du bist sogar für deine Eltern schuld, denn du hast dir deine Eltern selbst ausgesucht. Außerdem hast du bestimmt in deinem letzten Leben Böses verbrochen und musst jetzt dein negatives Karma abbüßen. Geschieht dir recht. Jeder bestimmt sein Leben total selbst. Also sauf nur weiter.” - Der Psychologe greift sich ein volles, das 18. Bierglas von Karl, trinkt es auf Ex und verlässt die Kneipe.
Karl nimmt das 19. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und die Frau von der ARBEITSAGENTUR kommt herein.
Arbeitsberaterin: “Karl, wo warst du beim letzten Termin? Ich habe einen tollen 1-€-Job für dich: Papier aufsammeln im Park. Als Papier-Untersammler. Wenn du das fleißig 3 Jahre durchziehst, kannst du Papier-Obersammler werden, mit weiteren Aufstiegschancen zum Premium-Papiersammler.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Arbeitsberaterin: “Pass auf, du fauler Sack, Entschuldigung, Sie fauler Sack. Als erstes kürze ich dir den dein Hartz4 um 50%, streiche dein Wohngeld und hetzte die Aufsicht auf dich. Und bestelle dich jeden Tag zum Termin. Wenn du dann nur noch den kleinsten Fehler machst, landest du schneller auf der Straße, als du auch nur gucken kannst.” - Sie hastet aus der Kneipe, stolpert über die Schwelle und knallt hin. Die drei Männer an der Theke lachen lauthals, der Wirt kichert hinter vorgehaltener Hand, Karl reagiert nicht merklich.
Karl nimmt das 20. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und die FREUNDIN kommt herein.
Freundin: “Ach Karli, eigentlich bist du ja ein ganz lieber. Aber mit dieser Sauferei, da kann man ja keine Zukunft aufbauen weißt du, ich möchte doch gerne ein Kind mit dir, und wir wollen doch zusammen ein Häuschen bauen. Kannst du nicht einfach aufhören zu trinken? Tue es mir zuliebe.”
Karl: „Du bist doch besoffen!“
Freundin: “Meine Mutter hat mich immer vor dir gewarnt, und sie hatte recht. Weißt du, dass Kevin gerne mein Freund sein will. Der hat eine guten Job, fährt einen BMW, so einen Loser wie dich kann ich nicht gebrauchen. Meinst du ich will, dass mein Kind mal sich wegen seinem Vater schämen muss. Ruf mich nicht mehr an.” - Sie schnippt mit dem Finger und rauscht aus der Kneipe.
Karl nimmt das 21. Bierglas und trinkt es auf Ex.
Die Tür geht auf und der BETRUNKENE FRANK kommt in die Wirtschaft.
Er geht etwas schwankend zu Karl und trinkt dessen letztes, halbleeres Bierglas aus. Dann setzt er sich.
- Frank: “Karl, du bist doch besoffen!”
Karl: “Endlich sagte mal einer was Vernünftiges.”
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Alternativer Schluss:
Eigentlich finde ich den Schluss so ganz gut und pointiert. Aber ich denke, er wird manchen Leser doch etwas ratlos zurück lassen, er wird sich fragen, was ihm diese Geschichte eigentlich sagen will. Daher biete ich einen alternativen, erweiterten Schluss an, der bereits eine mögliche Interpretation des Stückes liefert.
Die Tür geht auf und der BETRUNKENE FRANK kommt in die Wirtschaft.
Er geht etwas schwankend zu Karl und trinkt dessen letztes, halbleeres Bierglas aus. Dann setzt er sich.
- Frank: “Karl, du bist doch besoffen!”
Karl: “Endlich sagte mal einer was Vernünftiges.”
- Frank: “Und?”
Karl: “Ich trinke und trinke, damit ich das Geschwätz von all diesen Heuchlern nicht mehr höre.”
- Frank: “Das versteh ich.“
Karl: “Die mit ihren kleinen, billigen Glücksangeboten. Jeder will mich manipulieren, ich soll funktionieren, wie es ihnen passt, damit ihre spießige, verlogene Welt nicht zerbricht. Alle klammern sich an ihre Lebenslügen.“
- Frank: “Du willst dein eigenes Ding machen.”
Karl: “Ja, alle beurteilen, analysieren, kritisieren mich und schreiben mir vor, was ich tun soll. Aber ich will so leben, wie ich es will. Wenn ich scheitere, dann scheitere ich eben. Aber es ist mein Scheitern, so wie es mein Leben und meine Entscheidung ist.”
- Frank: “Und nützt das Trinken was gegen diese Besserwisser?”
Karl: “Nicht wirklich.”
- Frank: Ich glaube, für heute hast du genug getrunken. Und ich auch. Lass uns gehen.”
Die beiden verlassen die Kneipe.
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12 Das Rennen: Golf gegen Ferrari (14.09.2023)
Robert fuhr auf der Autobahn A 48. Gerade überholte er gemächlich einen alten Fiat mit 150 km/h, da kam von hinten ein Ferrari angeschossen. Wie Robert im Rückspiegel sah: Der Wagen jagte auf seinen Golf zu, als sei dieser gar nicht vorhanden. Die Scheinwerfer auf Fernlicht gestellt.
Ein ängstlicher Fahrer wäre dadurch vielleicht so erschrocken, dass er den Wagen hektisch nach rechts reißen würde, mit dem großen Risiko, einen Unfall zu verursachen. Robert war dagegen cool und erfahren, er beschleunigte seinen Golf leicht, beendet den Überholvorgang und zog den Golf vor dem Fiat auf die rechte Spur, ohne diesen aber zu behindern.
Dabei hing der Ferrari schon fast auf seiner Stoßstange, und sein Fahrer zog ständig die Lichthupe, um ihn wie ein lästiges Insekt zu verscheuchen. Dann rauschte er hupend an ihm vorbei.
Robert meinte, ein italienisches Nummernschild zu erkennen, vielleicht war es einer von diesen Autobahntouristen, die nur nach Deutschland kamen, um mit ihren Sportwagen über die geschwindigkeitsfreien deutschen Autobahnen zu rasen.
„Ist o.k.“, redete Robert sich selbst beruhigend zu. „Solche Idioten gibt es eben, das hat nichts mit dir zu tun, lass‘ dich nicht provozieren.“ Aber er fühlte den Adrenalinstoß, sein Herz pochte, sein Atem ging schneller.
Er hatte kein Problem damit, dass ihn jemand überholte. Aber er konnte es absolut nicht leiden, so überheblich und aggressiv angegangen und von der Bahn gescheucht zu werden.
Ohne es eigentlich zu wollen, drückte er aufs Gas, dem Ferrari hinterher. Mit einem Golf einen Ferrari zu jagen, das könnte absurd, ja lächerlich erscheinen, aber Robert fuhr nicht irgendeinen Golf. Sondern einen Super-Golf 5 R32.
Der Golf war schon einige Jahre alt, aber er gefiel Robert besser als die neueren Golfs R der 6. und 7. Generation. Der 5er hatte auch einen schöneren Klang, er hatte noch einen 6-Zylinder Saugmotor, der 6er und 7er besaßen reine 4-Zylinder-Turbo-Motoren.
Und wenn Robert auch schon viele ganz unterschiedliche Automarken bzw. Automodelle gefahren war, er kam immer wieder zum Golf zurück. Ihm gefiel gerade dieses Understatement des Golfs, dass er nicht wie ein Sportwagen aussah, aber unerwartete Kräfte mobilisieren konnte und damit für manche Überraschung und ungläubige Minen anderer Fahrer gut war.
Der Golf R32 besaß von Hause aus 250 PS, aber Robert hatte seinen tunen lassen. Vor allem hatte der Golf einen Twin-Turbo bekommen, außerdem eine scharfe Nockenwelle, größere Downpipes, eine veränderte Abgasanlage und Chip-Tuning. So kam der Golf auf knapp 500 PS, genau 497 PS, wie zuletzt ein Test auf dem Leistungsstand gezeigt hatte.
Und er erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von deutlich über 300 km/h. Robert hatte ihn noch nie bis ans Limit gefahren, 320 km/h war das schnellste, das er bisher einmal kurz gefahren war.
Äußerlich hatte Robert den Golf kaum verändert, nur die etwas altbackenen runden Rückleuchten durch moderne LED-Rücklichter ersetzt und die serienmäßig 18 Zoll-Räder durch 19-Zöller ersetzt, weil das besser zur gesteigerten Leistung passte.
Sein Golf besaß die Kultfarbe „Deep Blue Perleffekt“, ein intenisv leuchtendes Mittelblau, das den Golf besonders edel und sportlich aussehen ließ.
Robert hatte den Ferrari genau erkannt, er war schließlich ein Autokenner: ein Ferrari 458 Spider, im typischen Ferrari-Rot. Der Wagen war je nach Ausführung über 150.000 € bis weit über 200.000 Euro wert, er besaß serienmäßig 570 PS.
Das waren zwar deutlich mehr als bei seinem Golf, aber der war dafür leichter. Außerdem hatte der Golf einen Allrad-Antrieb, der Ferrari einen reinen Hinterrad-Antrieb, der Golf brachte also die Leistung besser auf die Straße.
Und Robert ging automatisch davon aus, dass er der überlegene Fahrer wäre. Er verfügte über einige Erfahrung mit Rennen, mit legalen wie mit geheimen Straßenrennen, er kannte alle Tricks.
Robert hatte keine besonderen Tuning-Merkmale an dem Ferrari gesehen, wenn eine Leistungssteigerung natürlich auch normalerweise nicht von außen zu erkennen war. Aber wer seinem Ferrari mehr PS spendierte, der würde das meistens auch äußerlich demonstrieren. Und es gab auch nicht viele so fanatische Fahrer, die bei 570 PS noch einen Bedarf für eine PS-Steigerung sahen.
Denn wenn der Ferrari auf z. B. 700 PS gesteigert wäre, würde Robert es gar nicht erst versuchen, er war nicht verrückt, und schon gar nicht hatte er Lust, sich lächerlich zu machen.
„Lass es doch einfach“, sagte er zu sich. „Das hast du doch gar nicht nötig.“ Aber sein Gasfuß sprach eine andere Sprache. Ohne dass Robert es richtig bemerkt hatte, fuhr er bereits 230 km/h. Und es war auch zu verlockend. Hier war die Autobahn auf viele Kilometer ohne begrenzte Geschwindigkeit, was inzwischen ja durchaus eine Seltenheit in Deutschland war.
Robert wechselte jetzt vom Automatikmodus des DSG-Getriebes in den manuellen Modus, bediente die Schaltwippen am Lenkrad. So ausgereift das DSG auch war, für optimalste Schaltvorgänge bei einer Hochgeschwindigkeitsfahrt war die manuelle Schaltung immer noch überlegen, allerdings nur in der Hand eines exzellenten Fahrers.
Der Biturbo mit seinen zwei Turboladern ließ den Wagen rasant, aber gleichmäßig weiter beschleunigen. Hier gab es keinerlei Turboloch wie bei den früheren Turbomotoren. Allerdings meinte Robert ein leichtes Rasseln der Steuerkette zu hören, ein typisches Problem beim R32. Aber darum konnte er sich jetzt wirklich nicht kümmern.
Die Autobahn war ziemlich leer. Vor allem kaum Wagen auf der linken Spur, denn die hatte der Ferrari schon freigeräumt. Blieb nur zu hoffen, dass nicht irgendein Spinner mit einem 3er BMW oder einem ähnlichen “untermotorisierten“ Gefährt die aussichtlose Jagd auf den Ferrari begonnen hätte.
Aber das genau passierte natürlich. Als Robert mit 270 km/h die Bahn entlang schoss, sah er in der Ferne ein silbernes Auto auf der linken Bahn. Vorsichtshalber machte er sein Xenon-Licht an, aber kein Fernlicht.
Als er näherkam, erkannte er: Es war ein BMW M3 E90, sicher ein schnelle Kiste, aber mit „nur“ 420 PS seinem Golf wie dem Ferrari himmelweit unterlegen. Der BMW fuhr links, obwohl er keinen anderen Wagen überholte. Vermutlich wollte er dem Ferrari hinterher, und das wirkte imposanter auf der Überholspur.
Robert fuhr zwar zügig an den BMW heran, aber er hielt Abstand, er fuhr nicht auf, zog auch keine Lichthupe, er wollte nicht den gleichen Fehler machen wie der Ferrari-Fahrer. Denn es wäre absurd, sich über diesen Drängler aufzuregen und sich dann genauso zu verhalten.
Leider blieb der BMW auf der linken Spur, obwohl rechts immer noch frei war, er konnte es wohl nicht ertragen, von einem Golf abgehängt zu werden. „Soll ich rechts überholen?“ überlegte Robert. „Nein, das mache ich nicht, die Zeit nehme ich mir, ich kriege den Ferrari trotzdem.“
Und endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, bequemte sich der BMW auf die rechte Seite.
Von dem Ferrari war natürlich nichts mehr zu sehen. Aber Robert konnte jetzt endlich frei fahren. Er beschleunigte auf 300 km/h und sah nach einigen Kilometern in der Ferne das imposante Heck des Ferraris vor sich. „Geht doch“, sagte er sich.
Jetzt fing es an, leicht zu regnen. Das war für den Golf mit seinem Allrad-Antrieb natürlich ein Vorteil. Aber es vergrößerte auch das Risiko so einer Hochgeschwindigkeitsfahrt. „Bloß kein Aquaplaning!“, murmelte Robert. Seine Hände umklammerten fest das Lenkrad.
Robert stellte sich das Gesicht des Ferrari-Fahrers vor, wenn er in seinem Rückspiegel die Schnauze eines Golfs auftauchen sah. Wenn er überhaupt in den Rückspiegel sah. Und wenn er einen Golf überhaupt kannte bzw. erkannte. Er musste ihn für eine Fata Morgana halten.
Der Golf kam dem Ferrari immer näher, noch etwa 100 Meter, aber dessen Fahrer hatte ihn wohl noch nicht entdeckt.
Zum Glück für Robert fuhr der Ferrari auf der rechten Spur. Vielleicht machte es dem Fahrer Spaß, auf andere Autos aufzufahren und erst im letzten Moment, erst beim Überholen nach links zu scheren. Oder er hielt es einfach für unmöglich, dass links neben ihm ein anderes Gefährt auftauchen könnte.
Der Ferrari ruckelte plötzlich, „aha, er hat mich gesehen“, grinste Robert. Offensichtlich versuchte der Fahrer, jetzt das letzte aus seinem Ferrari herauszuholen. Aber da kam nicht mehr viel, bei 320 km/h war Ende. Das sah Robert genau auf dem digitalen Tacho des Golfs.
Robert fuhr jetzt genau auf einer Linie mit dem Ferrari, Kopf an Kopf bzw. Kühler an Kühler. Er sah zu dem Ferrari-Fahrer rüber, und der guckte zu ihm: ein junger, schwarzhaariger Mann, der ihn unter buschigen Augenbrauen wütend anstarrte, aber auch unglaublich erstaunt, und etwas ängstlich – so schien es Robert jedenfalls.
Oder bildete er sich das alles nur ein? Konnte man das bei dem Tempo überhaupt erkennen? Aber jetzt schaute Robert wieder nach vorne, bei dieser Geschwindigkeit durfte man es sich nicht leisten, länger als einen Sekundenbruchteil zur Seite zu gucken.
Dann schob sich der Golf Zentimeter für Zentimeter am Ferrari vorbei, schließlich ein halbe Länge, dann eine ganze. Obwohl Robert ein cooler Typ war, jetzt lief ihm doch eine Schauer über den Rücken.
Plötzlich hörte Robert einen Knall, und er sah beim Umschauen, wie Rauch aus dem Motorraum des Ferraris austrat. Ruckartig blieb der Ferrari zurück, in Roberts Rückspiegel sah es aus, als ob er stehen würde.
Seine Anspannung entlud sich in Spott: „Tja, hättest mal nicht mit dem teuren Öl sparen sollen, hast wohl italienisches Olivenöl reingekippt.“
Aber dann tat ihm der Ferrari-Fahrer leid. Erst die Niederlage im Rennen, dann der Wagen kaputt. Und der Ferrari war ein tolles, wunderschönes Auto.
Irgendwie waren sich die Fahrer mit den schnellen Autos doch alle verwandt. Sie unterschieden sich in Fahrstil, Geschmack, Vorlieben, aber ihnen allen war gemeinsam die Freude an der Geschwindigkeit, an der Power, die Liebe zu ihren hochgezüchteten „Gefährten“.
„Ich glaube Golf, wir zwei sollten uns jetzt mal schnell von der Autobahn machen.“ Zwar hatte er keine Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten, trotzdem, der Polizei hätte ihr Wettkampf mit dem Ferrari sicher nicht gefallen.
„Gut gemacht, Renner.“ Er klopfte anerkennend auf das Lenkrad. Für den Ferrari-Fahrer konnte er nichts tun, er konnte ja nicht als Geisterfahrer zurückfahren. Aber er brauchte auch nichts für ihn zu tun, er war nicht verunfallt, hatte nur seinen Motor kaputtgefahren.
Hat es sich gelohnt? „Natürlich nicht, das war unsinnig“, sagte der Verstand in Roberts Kopf. „Aber es hat verdammt viel Spaß gemacht“, meinte das Gefühl in seinem Bauch.
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11 „Oh mein Gott, wie schrecklich!“ (13.08.2023)
Neulich machte ich etwas, was ich sonst nie tue: Ich ging alleine in eine Kneipe, einfach nur so. Ich stellte mich an den Tresen, und nach ein paar Minuten gesellte sich ein anderer Mann zu mir. Er stellte sich als „Rolf“ vor. Rolf wirkte etwas unruhig, sein Gesicht war besorgt, aber auch etwas verschmitzt, und seine Kleidung hatte undefinierbare Flecken.
„Ach tut das gut, mal eine schweinefreie Zone.“
„Was meinen Sie?“ fragte ich, etwas erstaunt über diesen merkwürdigen Gesprächsbeginn.
„Wenn Sie wüssten …“
„Wenn ich was wüsste …?“
Schließlich brachte Rolf stockend hervor: „Ich habe Schwein gehabt, kann man so sagen.“
„Ich fürchte, ich verstehe Sie immer noch nicht."
„Meine Frau lässt die Sau raus, verstehen Sie jetzt?“
„Nein, kein Wort“, sagte ich, etwas genervt von dem Herumreden, aber auch etwas neugierig geworden.
„Okay, ich erzähle Ihnen meine Geschichte, Sie kennen mich ja nicht, das ist gut. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie nicht lachen.“
„Versprochen.“
Rolfs Geschichte
(Die Geschichte, die ich Ihnen jetzt erzähle, werden Sie mir nicht glauben, aber ich versichere Ihnen, sie hat sich haargenau so abgespielt.)
Wenn Sie mich fragen, wie die ganze Sache begonnen hat – also, es war keine plötzliche Verwandlung, über Nacht oder von einem Tag auf den anderen, sondern die Veränderungen vollzogen sich ganz allmählich, in kleinsten Schritten.
Meine Frau war immer besonders auf ihre Sauberkeit bedacht, mindestens einmal täglich Dusche war ein Muss für sie. Und eines Tages ließ sie das Duschen ausfallen, dann ließ sie es zweimal nacheinander ausfallen und so ging es weiter, bis sie schließlich nur noch einmal in der Woche badete.
Oder: meine Frau hatte immer eine sehr zierliche, hübsche Nase gehabt. Eines Tages guckte ich sie an und meinte, ihre Nase wäre gewachsen. „Sicher Einbildung“, sagte ich mir, das konnte doch gar nicht sein, aber immer wenn ich sie morgens anguckte, schien ihre Nase über Nacht ein kleines bisschen größer geworden …
Als ich sie einmal etwas fragte, antwortete sie ganz normal, aber plötzlich schlich sich ein leises, „oink“ in ihre Antwort ein. Ich dachte, das wäre einfach ein Scherz. Als sie aber mit der Zeit fast in jedem Satz ein „oink“ nuschelte, glaubte ich oder wollte glauben, es ginge um einen neuen Online-Shop. Ich guckte im Internet nach, aber ich fand keinen Shop mit diesem Namen. Und das gab mir dann doch sehr zu denken.
Früher besaß meine Frau ganz glatte Haare und war auch sehr stolz darauf. Nun wurden ihre Haare immer strubbliger. Außerdem wurde ihre glockenreine Stimme immer dunkler und kratziger, ja grunzend, unterbrochen durch ein helles Quieken. Konnte meine Frau im Stimmbruch sein? Leider setzte sie zu dieser Zeit auch ihr Deo ab, was sie eigentlich gerade jetzt gut gebrauchen konnte.
Und wenn es auch eine langsame Entwicklung war, so gab es doch andererseits Entwicklungssprünge, z. B. als meine Frau das erste Mal auf allen Vieren ging. Oder als sie das erste Mal ohne Messer und Gabel, ja überhaupt ohne Hände aß. Meine Frau, die früher gerne schick ausgegangen war, hatte immer mehr Interesse an Spaziergängen in der Natur, am liebsten im Matsch, oder am Besuch von Bauernhöfen.
Bei einem Ausflug, das war wirklich ein Wahnsinnsschreck, warf sie sich plötzlich in den Schlamm und wälzte sich darin. Dabei grunzte sie wohlig. Mir war das irrsinnig peinlich, ich sagte den gaffenden Menschen: „Meine Frau ist nur ausgerutscht, außerdem hat sie epileptische Anfälle - nun gehen Sie schon weiter.“
Bis ich eines Tages es einfach nicht mehr verleugnen konnte, ich schrie auf: „Hilfe, meine Frau ist eine Sau.“
Dummerweise kam diese ultimative Erkenntnis gerade in der U-Bahn über mich. Und so gab es wenig erfreuliche Reaktionen. Einige Frauen riefen erbost, wie ich Macho-Schwein so über meine Frau sprechen könnte. Ein Mann, Typ Buchhalter, wollte mich in die Psychiatrie einweisen lassen. Ein etwas schmieriger Typ fragte mich flüsternd, wie sich das denn sexuell zeige und er wäre ggf. bereit, einiges springen zu lassen. Andere filmten mich mit ihren Smartphones. Bei der nächsten Station sprang ich aus der Bahn, wirklich beschämt.
Inzwischen hatte sich meine Frau körperlich fast vollständig zum Schwein entwickelt, leider auch psychisch und geistig. Eine Verständigung war sehr schwierig. Um ihr entgegenzukommen, hatte ich mir auch eine Art Grunzsprache angewöhnt. Man glaubt gar nicht, wie viele unterschiedliche Grunzlaute es gibt, mein „Gespür für Grunzen“ hat sich extrem entwickelt. Zwar war meine Frau immer noch freundlich, aber ihre Liebkosungen erlebte ich doch als sehr gewöhnungsbedürftig. Manchmal gab meine Frau auch pfeifende Geräusche von sich. Dann sagte ich zu mir selbst „ich glaube, mein Schwein pfeift“, und lachte über meinen eigenen Witz, ein Lachen der Verzweiflung.
Irgendjemandem musste ich mich schließlich anvertrauen. Ich rief als erstes meine Mutter an und erzählte ihr die ganze Geschichte. „Oh mein Gott, wie schrecklich!“, sagte sie. Aber merkwürdigerweise war sie nicht wirklich erstaunt. „Ich habe ja immer gewusst, dass diese Frau nicht zu dir passt. Hättest du mal auf deine Mutter gehört!“
Meinen Freunden erzählte ich, meine Frau habe mich verlassen und ich habe mir als Ersatz ein Schwein besorgt. Die Meinungen gingen auseinander. Ein Kumpel sagte: „Sehr vernünftig, man soll ja nicht nach einer Trennung direkt in die nächste Beziehung gehen, da ist das Schwein ein guter Platzhalter.“ Eine Feministin protestierte. „Niemals kann ein Schwein eine Frau ersetzen, auch nicht kurzfristig.“ Andere waren vor allem neugierig, wie ich mit meinem Schwein zusammenlebte, sobald ich aus dem Zimmer war, tuschelten und kicherten sie und ergingen sich in allmöglichen Spekulationen und Anspielungen – wie mir meine bester Freund nachher verriet.
Unser Leben hat sich in vielem geändert: Es gibt jetzt zum Frühstück, mittags und abends Kartoffeln mit Möhren, aber dieser Schweinefraß soll ja so gesund sein. Im Fernsehen will meine schweinige Frau immer nur Tiersendungen sehen, ihr absoluter Lieblingsfilm ist natürlich „Das Schweinchen Babe“. Ich vermisse die Actionfilme, andererseits sind diese rührseligen Tierfilme viel besser für die Nerven, ich schlafe danach, nein nicht wie ein Schwein, aber wie ein Bär.
Ich habe meine Frau immer geliebt und liebe sie auch heute noch. Ich denke nicht wirklich daran, sie zu verlassen. „Bis dass der Metzger uns scheidet“, nein, das geht gar nicht, daran habe ich nie gedacht. Gut, an Erotik spielt sich nichts mehr zwischen uns ab, bei uns gibt es keinen „Schweinkram“, aber Sex wird ja auch überschätzt. Und kuscheln kann man ganz gut mit einem Schwein, wenn man eine Nasenklammer trägt.
„Positiv denken“, sage ich mir. Man muss auch das Gute sehen. Meine Frau bestellt keine teuren Designerkleider mehr, überhaupt spare ich viel Geld (nur die Kosten für die Putzfrau haben sich astronomisch erhöht). Irgendwie ist sie ja auch so ganz niedlich, und ein Schweinchen als Frau, das ist schon etwas Besonderes, das hat nicht jeder.
Letztlich habe ich mich jedoch mit der Situation abgefunden: Schwein gehabt, es hätte noch schlimmer können, z. B. hätte sich meine Frau ja auch in eine Tigerin verwandeln können. Na ja, habe ich eben eine Sau als Frau: Wie es so heißt: „Nobody is perfect.“
Rolf schaute auf die Uhr. „Oh, es ist spät geworden, ich muss dringend nach Hause, zur Fütterung.“ Er winkte mir zu und verschwand eilig durch die Tür.
Kaum war er draußen, bekam ich einen Lachanfall, ich lachte und lachte, dass mir die Tränen über’s Gesicht liefen. Allerdings hatte ich ein schlechtes Gewissen dabei.
Wenn ich nur wüsste …
Damit könnte der Text eigentlich zu Ende sein. Aber offen gesagt befürchte ich, dass man mir Vorwürfe machen könnte, meine Geschichte wäre nicht politisch korrekt, sondern chauvinistisch, ja sogar frauenfeindlich. Ich sehe das zwar nicht so, aber vorsichtshalber habe ich die Geschichte noch einmal umgekehrt geschrieben, dass eine Frau berichtet, wie sich ihr Mann in ein Schwein verwandelt hat. (Da werden allerdings manche Frauen erstaunt fragen: Was heißt „verwandelt“? Denn sie wissen doch schon längst, spätestens seit dem Hit der Ärzte: „Männer sind Schweine.“)
10 „Oh mein Gott, wie schrecklich!“ - die weibliche Alternative (13.08.2023)
Neulich machte ich etwas, was ich sonst nie tue: Ich ging alleine in eine Kneipe, einfach nur so. Ich stellte mich an den Tresen, und nach ein paar Minuten gesellte sich eine Frau zu mir. Sie stellte sich als „Isabella“ vor. Isabella wirkte etwas unruhig, ihr Gesicht war besorgt, aber auch etwas verschmitzt, und ihre Kleidung hatte undefinierbare Flecken.
„Ach tut das gut, mal eine schweinefreie Zone.“
„Was meinen Sie?“ fragte ich, etwas erstaunt über diesen merkwürdigen Gesprächsbeginn.
„Wenn Sie wüssten …“
„Wenn ich was wüsste …?“
Schließlich brachte Isabella stockend hervor: „Ich habe Schwein gehabt, kann man so sagen.“
„Ich fürchte, ich verstehe Sie immer noch nicht.
„Mein Mann lässt die Sau raus, verstehen Sie jetzt?“
„Nein, kein Wort“, sagte ich, etwas genervt von dem Herumreden, aber auch etwas neugierig geworden.
„Okay, ich erzähle Ihnen meine Geschichte, Sie kennen mich ja nicht, das ist gut. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie nicht lachen.“
„Versprochen.“
Isabellas Geschichte
Wenn Sie mich fragen, wie die ganze Sache begonnen hat – also, es war keine plötzliche Verwandlung, über Nacht oder von einem Tag auf den anderen, sondern die Veränderungen vollzogen sich ganz allmählich, in kleinsten Schritten.
Mein Mann war immer besonders auf seine Sauberkeit bedacht, mindestens einmal täglich Dusche war ein Muss für ihn. Und eines Tages ließ er das Duschen ausfallen, dann ließ er es zweimal nacheinander ausfallen und so ging es weiter, bis er schließlich nur noch einmal in der Woche badete.
Oder: mein Mann hatte immer eine ziemlich kleine, hübsche Nase gehabt. Eines Tages guckte ich ihn an und meinte, seine Nase wäre gewachsen. „Sicher Einbildung“, sagte ich mir, das konnte doch gar nicht sein, aber immer wenn ich ihn morgens anguckte, schien seine Nase über Nacht ein kleines bisschen größer geworden …
Als ich ihn einmal etwas fragte, antwortete er ganz normal, aber plötzlich schlich sich ein leises, „oink“ in seine Antwort ein. Ich dachte, das wäre einfach ein Scherz. Als er aber mit der Zeit fast in jedem Satz ein „oink“ nuschelte, glaubte ich oder wollte glauben, es ginge um einen neuen Online-Shop. Ich guckte im Internet nach, aber ich fand keinen Shop mit diesem Namen. Und das gab mir dann doch sehr zu denken.
Früher besaß mein Mann ganz glatte Haare und war auch sehr stolz darauf. Nun wurden seine Haare immer strubbliger. Außerdem wurde seine ehemals wohlklingende Stimme immer dunkler und kratziger, ja grunzend, unterbrochen durch ein helles Quieken. Konnte mein Mann im Stimmbruch sein? Leider setzte er zu dieser Zeit auch sein Deo ab, was er eigentlich gerade jetzt gut gebrauchen konnte.
Und wenn es auch eine langsame Entwicklung war, so gab es doch andererseits Entwicklungssprünge, z. B. als mein Mann das erste Mal auf allen Vieren ging. Oder als er das erste Mal ohne Messer und Gabel, ja überhaupt ohne Hände aß. Mein Mann, die früher gerne schick ausgegangen war, hatte immer mehr Interesse an Spaziergängen in der Natur, am liebsten im Matsch, oder am Besuch von Bauernhöfen.
Bei einem Ausflug, das war wirklich ein Wahnsinnsschreck, warf er sich plötzlich in den Schlamm und wälzte sich darin. Dabei grunzte er wohlig. Mir war das irrsinnig peinlich, ich sagte den gaffenden Menschen: „Mein Mann ist nur ausgerutscht, außerdem hat er epileptische Anfälle - nun gehen Sie schon weiter.“
Bis ich eines Tages es einfach nicht mehr verleugnen konnte, ich schrie auf: „Hilfe, mein Mann ist ein Schwein.“
Dummerweise kam diese Erkenntnis gerade in der U-Bahn über mich. Und so gab es wenig erfreuliche Reaktionen. Einige Männer riefen erbost, wie ich Emanze so über meinen Mann sprechen könnte. Ein Mann, Typ Buchhalter, wollte mich in die Psychiatrie einweisen lassen. Ein etwas schmieriger, schwul wirkender Typ fragte mich flüsternd, wie sich das denn sexuell zeige und er wäre ggf. bereit, einiges springen zu lassen. Andere filmten mich mit ihren Smartphones. Bei der nächsten Station sprang ich aus der Bahn, wirklich beschämt.
Inzwischen hatte sich mein Mann körperlich fast vollständig zum Schwein entwickelt, leider auch psychisch und geistig. Eine Verständigung war sehr schwierig. Um ihm entgegenzukommen, hatte ich mir auch eine Art Grunzsprache angewöhnt. Man glaubt gar nicht, wie viele unterschiedliche Grunzlaute es gibt, mein „Gespür für Grunzen“ hat sich extrem entwickelt. Zwar war mein Mann immer noch freundlich, aber seine Liebkosungen erlebte ich doch als sehr gewöhnungsbedürftig. Manchmal gab mein Mann auch pfeifende Geräusche von sich. Dann sagte ich zu mir selbst „ich glaube, mein Schwein pfeift“, und lachte über meinen eigenen Witz, ein Lachen der Verzweiflung.
Irgendjemandem musste ich mich schließlich anvertrauen. Ich rief als erstes meine Mutter an und erzählte ihr die ganze Geschichte. „Oh mein Gott, wie schrecklich!“, sagte sie. Aber merkwürdigerweise war sie nicht wirklich erstaunt. „Ich habe ja immer gewusst, dass dieser Mann nicht zu dir passt. Hättest du mal auf deine Mutter gehört!“
Meinen Freundinnen erzählte ich, mein Mann habe mich verlassen und ich habe mir als Ersatz ein Schwein besorgt. Die Meinungen gingen auseinander. Eine Bekannte sagte: „Sehr vernünftig, man soll ja nicht nach einer Trennung direkt in die nächste Beziehung gehen, da ist das Schwein ein guter Platzhalter.“ Einen Freund protestierte. „Niemals kann ein Schwein einen Mann ersetzen, auch nicht kurzfristig.“ Andere waren vor allem neugierig, wie ich mit meinem Schwein zusammenlebte, sobald ich aus dem Zimmer war, tuschelten und kicherten sie und ergingen sich in allmöglichen Spekulationen und Anspielungen – wie mir meine beste Freundin nachher verriet.
Unser Leben hat sich in vielem geändert: Es gibt jetzt zum Frühstück, mittags und abends Kartoffeln mit Möhren, aber dieser Schweinefraß soll ja so gesund sein. Im Fernsehen will mein schweiniger Mann immer nur Tiersendungen sehen, sein absoluter Lieblingsfilm ist natürlich „Das Rennschwein Rudi Rüssel“. Ich vermisse die dramatischen Liebesfilme, andererseits sind diese rührseligen Tierfilme viel besser für die Nerven, ich schlafe danach, nein nicht wie ein Schwein, aber wie ein Bär.
Ich habe meinen Mann immer geliebt und liebe ihn auch heute noch. Ich denke nicht wirklich daran, ihn zu verlassen. „Bis dass der Metzger uns scheidet“, nein, das geht gar nicht, daran habe ich nie gedacht. Gut, an Erotik spielt sich nichts mehr zwischen uns ab, bei uns gibt es keinen „Schweinkram“, aber Sex wird ja auch überschätzt. Und kuscheln kann man ganz gut mit einem Schwein, wenn man eine Nasenklammer trägt.
„Positiv denken“, sage ich mir. Man muss auch das Gute sehen. Mein Mann bestellt kein teures Autozubehör mehr, überhaupt spare ich viel Geld (nur die Kosten für die Putzfrau haben sich astronomisch erhöht). Irgendwie ist er ja auch ganz putzig, und ein Schwein als Mann, das ist schon etwas Besonderes, das hat nicht jeder. Und es bedeutet gewissermaßen ein „zurück zur Natur“, „back tot he rootes“, und bio und öko sind doch total „in“.
Letztlich habe ich mich mit der Situation abgefunden: Schwein gehabt, es hätte noch schlimmer können, z. B. hätte sich mein Mann ja auch in einen Tiger verwandeln können. Na ja, habe ich eben einen Eber als Mann: Wie es so schön heißt: „Nobody is perfect.“
Isabella schaute auf die Uhr. „Oh, es ist spät geworden, ich muss dringend nach Hause, zur Fütterung.“ Sie winkte mir zu und verschwand eilig durch die Tür.
Kaum war sie draußen, bekam ich einen Lachanfall, ich lachte und lachte, dass mir die Tränen über’s Gesicht liefen. Allerdings hatte ich ein schlechtes Gewissen dabei.
Wenn ich nur wüsste …
9 Die Mutter aller Verschwörungstheorien (07.08.2023)
Natürlich waren die Amerikaner nie auf dem Mond, die Mondlandungen wurden in einem versteckten Studio in Hollywood mit aufwendigen Kulissen gefilmt – das weiß ja inzwischen jeder.
Die Amerikaner inszenierten die Mondlandung, um die Russen einzuschüchtern. Weil sie glaubten, die Russen hätten sich alte Pläne der V2 besorgt, der Rakete, mit der Hitler noch den Krieg zu gewinnen hoffte. Das hatten die Amerikaner herausgefunden, indem fünf amerikanische Geheimdienste vier russische Geheimdienste abhörten.
Es war aber ein Irrtum, die Russen spielten den amerikanischen Geheimdiensten bewusst falsche Botschaften zu. Vielmehr hatten die Russen vor, eine gewaltige Kanone zu bauen, für die Leonardo da Vinci im 15. Jahrhundert einen genialen Konstruktionsplan entwickelt hatte.
So dachten die Russen, in Wirklichkeit war dieser Plan jedoch schon wesentlich älter, er stammte von den Tempelrittern, genauer von dem genialen Großmeister der Templer, Jacques de Molay. Wenn die Templer von ihrem Schatz sprachen, waren nicht Reichtümer gemeint, sondern dieser Konstruktionsentwurf einer Waffe, die ihrer Zeit weit voraus war.
Der Plan für diese Waffe war über lange Zeit verschollen, wurde aber von der Geheimgesellschaft der Rosenkreuzer in einem verborgenen Verlies des Vatikans wiederentdeckt. Und zwar kamen sie den Illuminaten zuvor, die auch hinter diesem Plan her waren. Die Rosenkreuzer verkauften den Waffenplan an die Russen, für ein einhundert Millionen Rubel, behaupteten aber, dass er von Leonardo stamme, weil die von den Templern begleiteten Kreuzzüge auf das Missfallen der russisch-orthodoxen Kirche gestoßen waren.
Einer der Rosenkreuzer war Goethe. Er stammte ursprünglich aus Atlantis. Er lebte als Zeitreisender und reiste in 20. Jahrhundert. Dort begann er eine Karriere unter dem Tarnnamen „Elvis Presley“. In Wirklichkeit ging es ihm natürlich nicht um die Gesangskarriere, sondern er wusste, dass auch ein Zeitreisender der Illuminaten ins 20. Jahrhundert unterwegs war, um den Russen den Waffenplan zu stehlen und an die Amerikaner zu verkaufen.
Dieser Illuminat trat unter dem Namen „Jim Morrison“ auf und tarnte sich ebenfalls als Sänger. Jim Morrison war eigentlich ein Alien, er war aus einem Paralleluniversum durch ein schwarzes Loch auf unsere Erde geschleudert worden. Seine eigentliche Gestalt, die einem Tintenfisch ähnelte, passte er an das Idealbild eines Mannes an. Die Frauen lagen ihm zu Füßen, was ihm aber eigentlich unangenehm war, weil so seine Tarnung leichter auffliegen konnte; daher begann er maßlos zu trinken.
Elvis engagierte Marianne Faithfull, übrigens eine Wiedergeburt von Maria Magdalena, damit sie Jim verführte und ihn von seinen Machenschaften abrachte – aber vergeblich.
Jim Morrisons Song „Light my fire“ ist natürlich in Wahrheit kein Liebessong, sondern die Aufforderung an die Amerikaner, die große Kanone zu zünden und gegen Russland abzuschießen – wenn sie die denn gebaut hätten.
Goethe = Elvis Presley wollte verhindern, dass die Amerikaner den Plan für diese Superwaffe in die Hände bekämen. Aber er kam zu spät, Jim Morrison hatte die in Geheimschrift verfasste Akte bereits aus einem Tresor im Kreml gestohlen. Kurz danach starb Goethe = Elvis Presley , aber natürlich nicht an Tabletten. Der Alien Jim Morrison hatte ihn in eine Falle gelockt, und er wurde von dem Foucaultschen Pendel erschlagen – „Fuck You, Goethe“, rief ihm Jim noch hinterher.
Wenn jetzt ein kundiger Leser sagt: Wie kann das sein, da doch Elvis Presley erst 1977 gestorben ist und Jim Morrison schon 1971? Morrison ist natürlich nicht wirklich 1971 gestorben, er täuschte seinen Tod nur vor, um den Nachstellungen von Marianne Faithfull zu entgehen. Er lebt bis heute in den USA, allerdings als Untoter, aber das fällt unter den Amerikanern nicht weiter auf.
(Es gibt übrigens Gerüchte, dass auch Goethe = Elvis bei dem Pendelschlag nicht gestorben ist, sondern in die Zukunft floh. Er soll dort Gedichte schreiben, die vertonen und als Sänger vortragen – leider konnte ich das nicht überprüfen.)
8 Tod eines Kritikers - „Plötzlich und unerwartet“ (31.07.2023)
Dieser Text richtet sich nicht gegen die gängige Literatur-Kritik, sondern nur gegen die Super-Kritiker, die immer alles besser wissen wollen.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig.
Es war einmal ein junger Mann, der hatte eine kleine Erzählung geschrieben mit dem Titel „Das Pfeifen der Libellen“. Es ging um ein Libellen-Männchen, das immer lustig pfiff und dabei ein reizendes Libellen-Weibchen kennenlernte, eine rundum sympathische Liebesgeschichte.
Und unser „armer Poet“ dachte sich: Meine Erzählung werde ich einfach mal in einem Online-Literatur-Forum veröffentlichen, ich glaube, die wird ganz gut ankommen.
Aber da hatte er die Rechnung ohne den Wirt bzw. ohne einen besserwisserischen Super-Kritiker des Forums gemacht. Der zerzauste seine nette Geschichte ganz grauslich: „Die Geschichte ist nicht realistisch, denn Libellen pfeifen nicht. Außerdem ist sie unkorrekt, denn wenn Libellen pfeifen würden, wäre das Lärmbelästigung. Und überhaupt: Die Handlung ist holprig, die Dialoge sind gestelzt, und außerdem hast du 3 Kommafehler begangen – so geht das gar nicht.“
Der Kritiker empfahl: „Schreibe die Geschichte völlig um. Anstatt von Libellen sollte sie von Hunden handeln. Der Protagonist darf keine pfeifende Libelle sein, sondern ein jaulender Köter, seine Freundin ist eine verlauste Streunerin. Die Hunde kläffen sich gegenseitig an, werden dann vom Hundefänger hops genommen und landen in einer Tierversuchsanstalt. Nein, noch besser im Kochtopf vom Chinesen. So hat die Geschichte Pfeffer.“
Der junge Dichter war über diese rüde Ablehnung so verzweifelt, dass er beschloss, sich das Leben zu nehmen und zwar sich aufzuhängen. Aber er wollte nicht von dieser Welt scheiden, ohne noch irgendeine eigene Geschichte zu hinterlassen.
Also verfasste er einen Text, wie er plante, sich aufzuhängen. Er beschrieb, was für ein Seil er nehmen werde, auf was für einen Hocker er sich stellen und wie er den dann umstoßen wolle – und andere Details mehr. Diese Geschichte setzte er in das Literatur-Forum.
Ein paar Minuten später war die Antwort des Literatur-Kritikers schon da: „Was du über deinen geplanten Suizid schreibst, ist alles völlig falsch. Die Schilderung ist absolut unrealistisch und unkorrekt. So funktioniert das nie. Ich sage dir, wie man es richtig macht: Man darf natürlich kein Springseil nehmen, sondern ein Hanf-Seil, und zwar sollte das korrekterweise aus biologisch angebautem Hanf sein; dieses Seil muss vorher eingeölt werden, am besten mit nativem Olivenöl. Und natürlich nimmt man nicht wie du einen wackligen Plastikhocker, der vielleicht schon vorher umkippt, sondern einen soliden Echtholzschemel. Am Schluss stößt du diesen Schemel mit einem kräftigen Tritt um. Um dir zu beweisen, dass ich wie immer recht habe, werde ich das jetzt einmal testen.“
Leider hat man seitdem nichts mehr von dem Kritiker im Forum gelesen. Allerdings hat man über ihn gelesen, in einer Traueranzeige: „Plötzlich und unerwartet …“
„Eins muss man ihm lassen“, sagten die Leute, „er hat es auch diesmal wieder besser gewusst.“
Nachdem der junge Autor von dem unheimlich starken Abgang des Kritikers gehört hatte, war seine Verzweiflung wie weggeblasen. Er blühte er auf und wurde noch ein erfolgreicher Schriftsteller. Es wurde sogar eine Literaturgattung nach seiner ersten Geschichte benannt, die „Libellen-Literatur“.
7 Dem Schmitz seine Frau (26.07.2023)
An einer Bushaltestelle
- Hallo Fritze
- Hallo Willi. Hast du das mit dem Schmitz seiner Frau gehört?! Schlimm, sag ich dir, richtig schlimm.
- Was ist denn mit dem Schmitz seiner Frau? Sag schon!
- Irgendwie ist es ja auch lustig. Ich könnt mich ausschütten, wenn ich daran denke.
- Ja was denn?
- Heißt die Frau nicht Maria? Ausgerechnet Maria! Zum schießen!
- Nein, ich glaub, die heißt Elke. Egal, was ist denn mit der?
- Die Frau ist ja auch nicht mehr die jüngste, die ist doch bestimmt schon 40.
- Ja mindestens, aber wovon redest du denn eigentlich?
- Und wenn ich denke, wie der Schmitz immer so tut, und dann das!
- Wie tut der Schmitz denn?
- Übrigens, es soll dabei auch um viel Geld gehen. Stell dir das mal vor!
- Wie viel Geld denn?
- Ja, das weiß ich auch nicht so genau, aber eben richtig viel. Und auch die armen Kinder.
- Welche Kinder?
- Die haben doch zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Der Junge heißt glaube ich Willi, so wie du Willi, aber mit „y“ geschrieben.
- Ist mir doch egal, wie der verdammte Junge heißt, ich will jetzt endlich wissen, was mit dem Schmitz seiner Frau los ist.
- Ja, das wissen bisher nur ein paar Leute, und pass auf, du wirst einer von diesen wenigen sein, die es zuerst erfahren.
- WAS IST LOS MIT DEM SCHMITZ SEINER FRAU?!
- Du, da kommt mein Bus, ich muss los, also bis die Tage …
6 Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus“ (16.07.2023)
Also ich gebe es direkt zu: Diesen wunderbaren Kalauer habe ich nicht selbst gedichtet, sondern er stammt aus der alten Kult-Fernseh-Serie „Die Zwei”, mit Roger Moore und Tony Curtis, die berühmt war für ihr Feuerwerk an witzigen Sprüchen.
Die Anspielung auf die „dritten Zähne“, die abends vor dem Schlafengehen rausgenommen werden, als Analogie zu den Sternen, die am abendlich-dunklen Himmel sichtbar werden, finde ich genial.
Ich wollte diesen Spruch unbedingt einmal anbringen, eigentlich nur deswegen schreibe ich diese Geschichte überhaupt. Und ich widme sie „den Zwei“.
Zahnpflege ist heute zu einem Hauptlebensinhalt geworden, ja noch mehr zu einer Religion oder wenigstens Ersatzreligion. Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie, und das Zähneputzen dauert bei ihnen länger als der Sexualakt.
Und warum? Vor allem, weil sie ihre eigenen Zähne lebenslang behalten wollen, bloß nicht „die Dritten“, bloß nie ein künstliches Gebiss! So tun sie alles für ihre Zähne, koste es, was es wolle.
Diese Zahn-Freaks haben mindestens 3 elektrische Zahnbürsten und 7 verschiedene Zahnpasten. Gerade der männliche Putzer putzt mit einer Sorgfalt und zugleich Leidenschaft, die sich seine Freundin beim Liebesspiel von ihm wünschen würde. Aber obwohl seine Freundin wirklich ein „steiler Zahn“ ist, mit seinen echten Beißerchen kann sie bei ihm nicht mithalten.
Natürlich darf auch die Munddusche nicht fehlen, mit 5 verschieden Aufsätzen, so dass man mit den Zähnen von Abduschen bis Massieren, Pulsieren und Penetrieren alles durchspielen kann, was auch beim Sex Spaß macht.
Das Wichtigste für den Zahn-Fetischisten ist aber die Zahnseide, gerade bei Frauen. Nur welche Zahnseide ist die richtige? Vor allem über die Frage, ob man besser gewachste oder ungewachste Zahnseide nimmt, gibt es Auseinandersetzungen, die an die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten erinnern.
Der Zahn-Profi hat natürlich gewachste und ungewachste Zahnseide, außerdem Ultrafloss und Superfloss. Und er zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt.
Für die zahnbewusste Bürgerin gilt: „nicht ohne meine Zahnseide“. Ohne Reise-Zahnseide verlässt sie nicht das Haus, auch wenn sie nur zum Bäcker um die Ecke geht. Und falls sie einmal in großem Stress die Zahnseide vergisst, hat sie tagelang solche Schuldgefühle, als ob sie eine Todsünde oder ein Kapitalverbrechen begangen hätte.
Allerdings hat sich manche übereifrige Zahnseiderin auch schon mal mit ihrer geliebten Zahnseide das Zahnfleisch verletzt, so dass es blutet. Sie ist dann so schockiert, dass sie den Notarzt ruft.
„Wahrscheinlich habe ich Zahnstein“, schreit sie entsetzt, denn Zahnstein findet sie schlimmer als Aids und Ebola zusammen. Daher ist für so eine Zahnistin der Termin bei der professionellen Zahnreinigung auch wichtiger als der Termin zur Krebsvorsorge.
Und zum krönenden Abschluss des Zahnpflegerituals gibt es immer die Zahnspülung. Am liebsten nimmt der männliche Karies-Kämpfer die Mega-Ultra-Power Spülung, die ist so kräftig, dass einem fast die Zähne rausfliegen oder einem wenigstens der Schaum zu den Ohren wieder rauskommt.
Doch welch ein herrliches Gefühl, wenn man dann den ganzen Mund porentief rein hat, besser als nach einem Orgasmus! Das ist auch gut so, denn nach der Zahnorgie ist man viel zu müde für Sex.
Woran die Zahnputzfreaks aber nicht denken: Trotz aller Top-Zahnpflege, eines Tages kann es auch für sie heißen: „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus.“
5 Zaubermaus – oder – Die Lügen der Männer (15.07.2023)
- Warum kommst du denn aus der Wohnung der Nachbarin, Egon?
- Ach Zaubermaus, die Elke, also die Nachbarin wollte sich eine Prise Salz leihen.
- Was, eine Prise Salz?
- Ja, die macht gerade Spiegeleier, meine Zaubermaus.
- Und wieso nennst du sie Elke?
- Eben weil sie so heißt, Zaubermaus.
- Warum ruft eigentlich deine Kollegin ständig bei uns an?
- Zaubermaus, ich muss doch mit der Sonja die Buchführung besprechen.
- Sie heißt also Sonja?
- Ja wie soll sie denn sonst heißen, Zaubermaus?
- Hör auf mit deinem ständigen „Zaubermaus“. Ich heiße Karin.
- Aber du bist doch mein kleines, süßes Zaubermäuschen.
- Schon gut, Egon, bist du mir denn wirklich treu?
- Natürlich Zaubermaus, ich bin treu wie ein … Käsebrot.
- Was soll denn das heißen?
- Nun Zaubermaus, hast du schon einmal von einem Käsebrot gehört, das fremd geht?
- Manchmal habe ich das Gefühl, dass du hinter meinem Rücken mit anderen Frauen flirtest.
- Wer, ich, Zaubermaus?
- Ja, es gibt erstaunlich viele Frauen, die dich auf der Straße grüßen.
- Zaubermaus, das sind alte, kranke Frauen, denen ich die Einkauftaschen nach Hause trage.
- Aber so alt sehen diese Frauen gar nicht aus.
- Da kannst du mal wieder sehen, wie gut heute die Kosmetika sind.
- Du, es klingelt, machst du mal die Tür auf!
- Ich eile, Zaubermaus.
- Wer ist es denn?
- Der Paketbote, liebe Zaubermaus.
- Quatsch, Paketbote, das ist doch eine der Frauen, die dich angegrinst haben.
- Eben, eine Paketbotin, Zaubermaus.
- Ich glaub dir kein Wort. Jetzt reicht es! Ich schmeiß dich raus!
- Aber wo soll ich denn hingehen, Zaubermaus?
- Das ist mir egal. Und es hat sich jetzt mit Zaubermaus!
- Du hast gut reden. Das ist schwierig. Soll ich zu Elke, Sonja, Lilo, Anni oder Regina gehen?
- Was?!
- Ich glaube, ich gehe fürs erste zu Elke. Tschüss Karin!
Egon klingelt nebenan: Elke macht auf.
- Schön, dass du endlich kommst, Egon.
- Hallo Zaubermaus …
4 Der Unsterbliche? (12.07.2023)
Ich traf ihn auf einer Party. Er saß im Hintergrund und schaute leicht amüsiert auf das Geschehen. Es war seine besondere Ausstrahlung, die mich anzog. Aber zunächst beobachtete ich ihn nur. Eigentlich war ich gut darin, das Alter von jemandem zu schätzen. Doch hier tat ich mich schwer. Einerseits besaß er etwas Jugendliches, Frisches, aber auf der anderen Seite kam er mir irgendwie uralt vor. Seine Haare waren blond-graumeliert, aber das hatte natürlich nichts zu sagen.
Ich setzte mich an seinen Tisch: „Darf ich fragen, von wo Sie kommen?“
Er schaute mich an und meinte in ironischem Ton: „In meinem Fall wäre die Frage wohl, von wann ich komme. Aber lassen wir das.“
„Nein“, hakte ich nach, „das interessiert mich.”
„Ach, wissen Sie, ich rede manchmal einfach zu viel. Es ist nicht wichtig.“
„Doch bitte“, drängte ich, „das interessiert mich wirklich sehr. Also von wann kommen Sie?“
Er blickte mir tief in die Augen. „Nun gut, ich komme aus der Vergangenheit, genau genommen aus dem 15. Jahrhundert.“
Ich schaute ihn zweifelnd an. Machte er einen Joke? Aber er schien es durchaus ernst zu meinen. „Wollen Sie sagen, dass Sie 600 Jahre alt sind?“
„So ungefähr.“
Jetzt schien mir die Zeit für eine ironische Antwort gekommen zu sein. „Dafür haben Sie sich aber gut gehalten.“
„Ja, nicht wahr“, ging er auf meinen launigen Spruch ein, „und das liegt nur an gutem Schlaf und viel Wasser, bestimmt keine Schönheits-Ops, versprochen.“
Aber so schnell ließ ich ihn nicht entkommen. „Haben Sie den Jungbrunnen gefunden? Oder das Kraut des ewigen Lebens? Oder schlafen Sie jede Nacht mit einer Jungfrau? Verraten Sie mir ihr Geheimnis!“
Er schaute mich wieder mit seinen blauen Augen eindringlich an. „Sie gefallen mir, Sie erinnern mich an meinen jüngeren Bruder, daher erzähle ich Ihnen etwas, das eigentlich geheim bleiben sollte. Aber Sie werden es ohnehin nicht glauben.“
Er hielt nachdenklich einen Moment inne und fuhr dann fort: „Mein Weg zur Langlebigkeit, ja zur Unsterblichkeit ist viel leichter, aber auch viel schwieriger, als eine alchemistische Formel für die Überwindung des Todes zu finden. Ich war im 15. Jahrhundert Mitglied einer agnostischen Geheimgesellschaft, die von der kirchlichen Inquisition verfolgt wurde. Unser Führer war ein begnadeter, hochspiritueller Weiser. Er lehrte uns: Der Tod ist nur eine Suggestion. Seit Jahrhunderten wird uns – von der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Religion – suggestiv eingeredet, dass der Mensch sterblich ist und daher jeder Mensch sterben muss. Und wir trichtern uns mittels Autosuggestion diesen Irrglauben noch tiefer ein. Die Todes-Suggestion ist so mächtig, dass sie unseren Körper, unsere Zellen, ja sogar unser Erbgut steuert, sie auf Tod programmiert, denn der Geist beherrscht die Materie.
Manche Lehren sagen zwar, dass man nach dem Tod in ein anderes Leben übergeht oder in unsere Welt wiedergeboren wird. Manche Menschen versuchen, mit obskuren Methoden ihr Leben zu verlängern. Aber keiner zweifelt daran, dass in diesem Leben der Tod unvermeidlich ist. Immer heißt es: ‚Der Tod gehört zum Leben.‘ Doch die Menschen sterben nur deshalb, weil sie vollkommen überzeugt sind, dass sie sterben müssen. Und sie altern auch nur deshalb, weil sie überzeugt sind, dass sie altern müssen.“
Wieder zögerte er und blickte mich prüfend an, er schien sich unsicher, ob man mir wirklich dieses unglaubliche Geheimnis verraten durfte, doch er fuhr fort: „Folglich gibt es auch einen Weg, Altern und Tod zu verhindern, wie mich mein spiritueller Lehrer unterrichtete. Du musst dich frei machen von der Todes-Suggestion, ja, auch von der Suggestion, dass du überhaupt alterst; du musst ganz tief in dir die Überzeugung verankern, dass du immer jung bleiben und niemals sterben wirst. Allerdings ist es extrem schwer, die Todes-Suggestion zu überwinden, die Menschen sind wie hypnotisiert vom Tod, also muss man sich davon dehypnotisieren. Das erfordert große geistige und seelische Disziplin, man benötigt dafür sehr viel mentale Übung. Und der Kampf ist nie gewonnen. Wenn ich heute plötzlich meine Unsterblichkeits-Überzeugung verlieren würde, dann müsste ich in Sekundenschnelle altern und sterben.“
Ich schaute ihn ungläubig an. War er ein Spinner? Ein Verrückter? Wollte er mir etwas verkaufen? „Wirklich, eine gute Geschichte für eine Party“, sagte ich schließlich.
„Nicht wahr“, meinte er lächelnd, „das sagte mein Freund Leonardo auch immer.“
„Leonardo da Vinci? Meinen Sie wirklich den?“
„Ich kenne nur diesen Leonardo.“
Ich überlegte: Gab es denn damals überhaupt schon so etwas wie Partys? Als ich wieder aufguckte, war er aufgestanden und sprach mit anderen Leuten. Ich stellte mich unauffällig daneben, um zu hören, ob er ihnen die gleiche Geschichte erzählte. Aber er sprach nur vom Wetter.
Leider verlor ich ihn dann im Gedränge der Party aus den Augen. Dabei hätte ich ihn gerne noch so vieles gefragt. Doch eins weiß ich: Morgen gehe ich in die Buchhandlung und kaufe mir alle Bücher über Suggestion, die ich bekommen kann.
3 Heimfahrt – Die Öko-Version (06.07.2023)
Auf vielfachen Wunsch liefere ich hier eine ökologisch korrekte Version meiner Geschichte „Heimfahrt – Point of no Return“.
Öko-Hans, in schlabbriger Latzhose, geht zu seinem VW Lupo, in einer Öko-Ausführung mit Hybridmotor, extra für ihn angefertigt. Einmal streichelt seine Hand kratzend über die grün-bräunlich-schmutzige, verbeulte Karosserie, deren eigentliche Farbe man nur noch erahnen kann.
Er steigt ein und steigt wieder aus: erst einmal die Lichtkontrolle machen. Die Scheinwerfer sind o.k., aber was ist mit dem Blinker? Er hat wohl einen Wackelkontakt: Blinker geht an, Blinker geht aus, Blinker geht an, Blinker geht aus … „Da sieht man mal wieder das Versagen der Technik, sie können nicht einmal einen dauerhaft funktionierenden Blinker herstellen“, brummelt Öko-Hans.
Er steigt wieder ein und lässt den Elektromotor an. Und man hört – nichts. „Herrlich, diese Stille“, schwärmt er und fährt los. Leider streift er dabei eine Mutter mit Kinderwagen, die das geräuschlose Auto überhört hatte. Das bekommt Öko-Hans aber nicht mit, denn er hört bereits seine Lieblings-CD: Karl, der Käfer. Von dem Song bekommt er immer eine Gänsehaut. „Karl der Käfer wurde nicht gefragt, man hat ihn einfach fortgejagt“ … summt er mit.
Dann zieht Öko-Hans den Lupo brutal hoch. Die erste Kurve nimmt er schon mit 20 km/h. Da passiert es: In 50 Meter Entfernung sieht Öko-Hans eine grüne Ampel. Und was macht der korrekte Mann? Er steigt voll auf die Bremse. Denn er sagt sich: Falls ich jetzt weiterfahre, kann es sein, dass die Ampel, wenn ich sie erreicht habe, gelb oder sogar rot ist und ich nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Also bremse ich lieber schon jetzt.
Leider sind die anderen Autofahrer zu dumm, solchen komplexen Gedankengängen zu folgen. So gibt es nach Öko-Hans‘ Vollbremsung einen Auffahrunfall. Drei Wagen knallen aufeinander. Aber ER achtet nicht darauf, denn er sieht einen Zebrastreifen vor sich, und da muss der umsichtige Fahrer äußerste Vorsicht walten lassen.
An der einen Seite vom Zebrastreifen steht eine Greisin. „Ein Fall für Super-Hans“, sagt sich Öko-Hans, stellt den Wagen mitten auf der Straße ab und eilt zu der alten Dame. „Keine Sorge, ich helfe Ihnen über die Straße.“ „Sehr nett, junger Mann, aber ich will gar nicht rüber, ich warte hier nur auf eine Freundin.“ Aber da ist die Alte an den Falschen geraten. Wenn sich Öko-Hans eine gute Tat vorgenommen hat, dann zieht er das auch gnadenlos durch. Öko-Hans schleift und zerrt die sich heftige wehrende Frau über den Zebrastreifen. Da fällt ihre Tasche runter und geht auf, ein Sammelsurium von Lippenstift, Rouge, Makeup, Kamm, Spiegel usw. ergießt sich auf den Asphalt. „Ach, das sind alles unökologische Konsumgüter“, doziert Öko-Hans, „sei froh, Muttchen, dass du den Plunder los bist, in deinem Alter brauchst du das sowieso nicht mehr.“
Hinter Karls stehendem Lupo hat sich inzwischen ein Stau gebildet, die Fahrer hupen und brüllen aus den Fenstern. Zwei sind in Streit geraten und prügeln sich.
Öko-Hans schaut sie missbilligend an. „Tja, die Leute haben keine Geduld mehr und keinen Blick für eine hilfsbedürftige Frau.“ Er grüßt die Fahrer, die ihn mit dem ausgetreckten Mittelfinger heftig zurückgrüßen. Öko-Hans fährt wieder los, da gibt es einen Schlag auf sein Auto. Er guckt sich um und sieht die alte Frau, die ihren Schirm auf sein Auto geworfen hat. „Mein Gott, wie undankbar, diese alte Krähe“, wundert sich Öko-Hans. „Dabei habe ich ihr doch im Verkehrsdschungel das Leben gerettet. Dass selbst die Alten heute schon gewalttätig sind, daran ist bestimmt die Konsumgesellschaft schuld.“
Aber jetzt wird es ernst, da vorne ist die Autobahn. Karl denkt traurig an seine Kindheit im Heim. Da herrschte das blanke Entsetzen, der furchtbarste Terror, die gnadenlose Grausamkeit: er musste Fleisch essen! Nie wird er dieses Trauma überwinden! „Eigentlich ist mein Leben dadurch sinnlos geworden“, sagt sich Öko-Hans. „Ich glaube, ich sollte mich recyclen, so dass mein Körper wieder der Mutter Natur zugeführt wird.“
Öko-Hans tritt jetzt voll aufs Gas. Und dabei will er etwas Härteres hören. Er legt die CD Mein Freund, der Baum und denkt zurück. Wie ein Film läuft sein Leben im Heim vor seinem inneren Auge ab: Frankfurter Würstchen, Wiener Würstchen, Schinken, Fleischwurst, Salami, Schnitzel, Gänsebraten, Hühnerfrikassee, Kalbsragout, Rindersteak, sogar Frikadellen und andere Scheußlichkeiten mehr – ein Fließband des Grauens.
Und der Song ist auch nicht gerade ein Stimmungsaufheller. Refrain: „Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot.“ „Soll ich dem Baum nicht folgen?“, grübelt Öko-Hans.
Plötzlich traut Öko-Hans seinen Augen nicht: ein typischer Rentner überholt ihn auf dem Fahrrad. „Mein Gott, sind diese Raser denn überall?!“ schreit er auf. Und dabei überholt ihn dieser Verkehrsraudi auch noch rechts, auf dem Standstreifen.
Aber dann überholt ihn noch einer und zwingt ihn sogar zum Anhalten: die Polizei. „Mann, wie kommen Sie dazu, hier mit Tempo 30 die Autobahn langzuschleichen? Hier ist doch keine Fußgängerzone!“ „Herr Oberwachtmann, ich fahre immer Richtgeschwindigkeit 30 km/h, dem Wald zuliebe.“ „Was reden Sie denn da? Die Richtgeschwindigkeit ist 130 km/h, nicht 30 km/h. Anders als viele denken, gibt es zwar keine Mindestgeschwindigkeit von 60 km/h, aber Sie dürfen durch Langsamfahren nicht den Verkehr behindern.“ „Ach, und ich dachte 60 km/h wäre die erlaubte Höchstgeschwindigkeit.“ Der Polizist schüttelt verzweifelt den Kopf. „Wir folgen Ihnen jetzt, wenn Sie nicht mindestens 80 km/h fahren, ziehen wir Sie aus dem Verkehr.“
Öko-Hans fährt weiter - jetzt mit rasanten 80 km/h. Und wenn er ehrlich ist, fühlt er sich in diesem Geschwindigkeitsrausch sogar ganz wohl. „So schlecht ist das Leben gar nicht“, sagt er sich. „Ich habe heute einer alten Frau geholfen, andere Verkehrsteilnehmer durch mein Vorbild belehrt und der Polizei durch mein umsichtiges Fahren imponiert. Das Fleisch im Kinderheim verdränge ich einfach mit positivem Denken. Ich lebe weiter und freue mich jetzt auf einen Tofuburger.“
Und so war aus dem „posttraumatischen“, traurigen Öko-Hans ein ganz einfach und schnell ein Hans im Glück geworden.
Nachtrag: Der Autor dieser Geschichte weist daraufhin, dass er selbst noch nie einen Punkt in Flensburg hatte und seinen Müll ordentlich trennt.
2 Heimfahrt – Point of no Return (05.07.2023)
Er geht in die Garage, zu seinem Porsche Turbo, in einer Rennversion, extra für ihn angefertigt. Einmal streichelt seine Hand fast zärtlich über das blaue Metall, die Wölbung des Kotflügels. Er steigt ein. Er schnallt sich an, lächelt dabei kurz über die Ironie dieser Handlung. Der Motor springt röhrend an. Mit einem Satz springt der Porsche auf die Straße. Er zieht ihn sofort hoch. Die erste Kurve nimmt er bereits mit 120. Das Heck bricht hinten aus, aber dann fängt sich der Wagen wieder und rast weiter. Er legt seine Santana-CD ein, stülpt die Kopfhörer über die Ohren. Er hat keine Lust, die quietschenden Bremsen der anderen Autos zu hören, deren Fahrer mit einer Notbremsung versuchen, einen Unfall zu vermeiden. Als er die erste rote Ampel mit 180 überfährt, da hört er auch die erste Polizeisirene im Hintergrund. Eine Zeitlang lauscht er dem vertrauten Geräusch. Dann dreht er die Lautstärkeregler höher. Santana spielen Jungle Strut, einer ihrer besten Titel für ihn. Voller Dynamik. Er tritt das Gaspedal noch etwas weiter runter. Mit 200 jagt der Wagen über die Hauptstraße, Richtung Autobahn. Gesichter wie Fetzen fliegen an ihm vorüber. Erschrocken. Angstvoll. Empört. Sensationsgeil. Blutgeil. Sie werden sich nicht zu beklagen haben. Da passiert es. Ein Audi ging nicht schnell genug von der linken Spur runter. Er hatte ihn zwar noch nicht mal angetippt. Aber als der Audifahrer ihn auf sich zurasen sieht, verliert er vor Schreck die Gewalt über sein Fahrzeug. Der Fahrer knallt gegen eine Ampel, der Wagen wird zurückgeschleudert, überschlägt sich. Er sieht kaum, was passiert, ist schon wieder weiter, viel weiter. Er macht sich keine Gedanken. Er empfindet keinen Triumph. Keine aggressive Befriedigung. Aber auch kaum Mitgefühl. Eine kurze Strecke lässt er den Wagen mal langsamer laufen. Aha, jetzt gehts los. Hinter ihm inzwischen 3 Polizeiwagen, und von vorne rechts und links kommt je einer. Eine Straßensperre aufzubauen, hatten sie noch keine Zeit. Er drückt das Gaspedal brutal runter. Mit einem Gebrüll setzt der Turbolader ein, der Wagen katapultiert nach vorne. „Entschuldigung Blauer, aber sie sollen uns doch nicht kriegen, nicht schon jetzt.“ Doch der Weg zur Autobahn ist ihm versperrt. „Okay, wenn Ihr es so haben wollt. Aber beklagt euch nachher nicht über die Toten, die hier in der Stadt auf der Strecke bleiben werden.“ Mit einem Täuschungsmanöver dreht er an den beiden entgegenkommenden Polizeiwagen vorbei, wobei diese zusammenknallen. Diesmal fühlt er eine leichte Befriedigung, aber sie ist flüchtig, mehr spielerischer Natur. Samba Pa Ti. Sicher, eins der schönsten Stücke von Santana, aber jetzt hätte er doch gerne etwas Härteres gehört. Er rast auf einen Zebrastreifen zu. Eine alte Frau will gerade rübergehen. Einen Moment guckt sie hoch. Das rettet ihr das Leben. Irgendetwas in den Augen der Alten lässt ihn ein riskantes Ausweichmanöver vornehmen. Er bringt den Wagen bewusst durch Bremsen und Gegensteuern ins Schleudern, so dass er an der Greisin vorbeischleudert, und zieht in dann wieder in die Gerade. Der Turbo streift dabei mit der Heckflosse ein Verkehrszeichen, es gibt ein hässliches Geräusch, ein Stück bricht ah. „Tut mir leid, Renner. Aber ich versprech’ dir, das war die letzte, die wir schonen. Meinst du, sie werden uns etwa schonen?! Aha, jetzt haben die Grünen also ihre Sperre fertig. Na, ganz ordentlich. Ob es jetzt schon aufs Ganze geht? Wohl noch nicht. Hey Santana, spielt Euern Taboo mal lauter.“ Seine Ohren dröhnen. Er hört keine Polizeisirenen mehr, schon gar nicht das blödsinnige Rufen aus den Megaphonen und Lautsprechern. Er prescht auf die Grünlinge zu. Sie hechten zur Seite. Sie waren mit ihrer Sperre noch nicht ganz fertig. Eine Lücke war noch geblieben. Da zwängt er sich durch. Das geht nicht ohne Schrammen ab. Aber da vorne ist die Autobahn. Auf der Autobahn schaltet er erst mal zurück, ja zurück. Er streichelt das Gaspedal nur mit dem Fuß, lässt den Wagen locker im Verkehrsstrom mitschwimmen. Da sieht er im Rückspiegel ein Polizeiblinklicht, hört das quäkende Martinshorn. Sie haben einen Polizeiporsche auf ihn angesetzt. Das ist das erste und einzige Mal auf dieser Heim-Fahrt, dass er wirklich lachen muss, lachen kann. „Hey Turbo, was sagst du dazu, sie wollen uns mit einem 911 fangen, einem normalen 911 SC.“ Der Turbo lässt ein unwilliges Brummen hören. „Ja, ganz meine Meinung, dann mal los.“ Der Wagen schert auf die linke Bahn, zieht raketenartig los. Er macht das Fernlicht an, obwohl es taghell ist. Aber wenn ihn so nur einer schneller sieht, rettet das vielleicht dessen Leben. Für ihn kann es ohnehin nur um einen Aufschub gehen. Der Tacho steigt 100, 200, 220. Noch hält der SC ganz brav mit, in 100 Meter Abstand etwa. Aber auf der Autobahn zu schießen, das trauen sich die Brüder gewiss nicht. Er spielt ein bisschen mit den Bullen, lässt ihn für kurze Zeit die Hoffnung, sie könnten ihn vielleicht erhaschen. Obwohl sie ja eigentlich an den über dimensional ausgebuchteten hinteren Kotflügeln, den extra breiten Reifen und dem riesigen Heckspoiler sehen müssten, dass sie keinen normalen Porsche vor sich haben, ja nicht einmal einen normalen Turbo. Nun Blauer, jetzt wollen wir deinem langsamen Bruder mal zeigen, was ein Renn-Turbo kann. Aus 220 km heraus beschleunigt der Wagen zügig weiter. 230, 240, 250, 260. Nun bleibt der Polypen-Porsche mehr und mehr zurück, wird kleiner und kleiner, ist bald nicht mehr zu sehen. Bisher hat er Glück gehabt. Alle Autos vor ihm sind sofort auf die rechte Bahn geflüchtet. Und außer erbärmlichen Bremsen und Quietschen ist dabei noch nichts passiert. Sicherlich warnt man im Verkehrsfunk bereits vor ihm. Aber er hört nicht Verkehrsfunk. Er ist nicht publicitygeil. Er hört Santanas Everybody's everything. Der pulsierende Rhythmus geht direkt ins Blut, besser als jeder Aufputscher. Das Solo von Carlos kommt direkt im Gehirn an. Aber da vorne. Jetzt wird es Ärger geben. Ein Mercedes 450 SLC. Der Mann fährt seinen Wagen voll aus, aggressiv. Es macht ihm offensichtlich Spaß, die anderen herüberzuscheuchen. Der fährt überheblich, arrogant. Dabei bringt sein Mercedes gerade 220. Er nähert sich ihm langsam, mit 230. Der Mercedes macht keine Anstalten, von der linken Bahn runterzugehen. Der Fahrer kann es offensichtlich nicht verkraften, dass es einen gibt, der ihm überlegen ist. Es würde für ihn eine ungeheure Kränkung bedeuten, auf die rechte Bahn ausweichen zu müssen. ER zieht einmal die Lichthupe. Der Mercedesfahrer tut, als habe nichts gesehen, versucht aber insgeheim, seinen Wagen weiter zu beschleunigen, ohne Erfolg. ER fährt nun weiter auf, 1 Meter, 1/2 Meter, 30 cm. Dann touchiert er den Mercedes, der kommt ins Schleudern, der Fahrer sieht die Katastrophe kommen, aber in seiner Todesangst und Todeswut will er nicht allein sterben. Er, der nie nach rechts wollte, jetzt zieht er den Wagen mit letzter Kraft rechts rüber, voll in einen vollbeladenen VW-Bus hinein. Ein infernalisches Knallen, Krachen, Zerstören. Auto-Wrackteile fliegen durch die Luft. Und da fährt der erste voll in die beiden Unfallwagen hinein, erneutes donnerndes Krachen. Und der zweite fährt rein ... ER ist aber schon weiter. Auf einmal spürt er Hass. „Dieser verdammte Mercedesfahrer. Konnte er nicht allein sterben, dieses Arschloch. Und ihm und seinem Porsche wird man es anhängen.“ Plötzlich durchzuckt ihn eine panikartige Angst. Ist es nicht Wahnsinn, was er tut? Kann es denn nicht noch eine andere Lösung für ihn geben? Aber er braucht nur in den Rückspiegel zu sehen, wo immer noch eine riesige schwarze Rauchwolke zu sehen ist. Wer weiß, wie viel Tote und Verletzte es dort inzwischen gibt. Ja, vor diesem Unfall, da hätte er vielleicht noch zurückgekonnt. Aber jetzt nicht mehr. Es ärgert ihn, dass ihm quasi der Mercedesfahrer diese Entscheidung aufgezwungen hat bzw. ihm die Entscheidung abgenommen hat. Er hasst Fremdbestimmung. Er drückt den Gashebel wieder stärker runter. Aber was solls? Hat er diese Welt nicht gerade über, weil sie nur von solchen Idioten wimmelt? Ja, auch deswegen. Und die Absurdität dieser Welt, ihre Ungerechtigkeit und Grausamkeit. Aber auch die Verlogenheit, Lieblosigkeit und Lächerlichkeit der Menschen. Aber es gibt andere Gründe. Tiefere. Die unbenennbaren Schrecken einer traumatischen Kindheit, die seine Seele unheilbar verletzten. Im Kinderheim: Hässliche, dicke, brutale Männer, die nachts zu seinem Kinderbett kamen und ihn zu sich holten. Durch das Gedröhne in seinen Kopfhörern hört er jetzt das Rattern eines Hubschraubers. Erst denkt er: ein Rettungshubschrauber. Aber dann wird ihm klar. Sie jagen ihn jetzt auch aus der Luft. Die Autobahn wird leerer und leerer. Er begreift schnell. Sie holen die andern Fahrer mit Verkehrsfunk von der Bahn herunter, denn sie haben sicher eine schöne Sperre für ihn aufgebaut. Er muss lächeln, ohne zu wissen warum. Jetzt ist das Knattern des Hubschraubers knapp über ihm. Er dreht kurz die Lautstärke runter. Tatsächlich, er kann die Stimme des Piloten gerade verstehen. "Mann, geben Sie doch auf, sie haben keine Chance. Seien Sie doch vernünftig.“ Seine Augen brennen plötzlich. „Ich hatte nie eine Chance. Ich war noch nie so vernünftig wie in diesem Augenblick, in dem ich das endlich akzeptiere.“ Da, in der Ferne kann er undeutlich auf der Strecke etwas erkennen. Wird das schon die Falle sein? Santana spielen Toussaint L'Overture, sein Lieblingslied von der Gruppe. Ein gutes Lied zum sterben. „Hallo Blauer, ich glaube, wir müssen uns langsam voneinander verabschieden.“ Seine Stimme zittert etwas. „Was wir machen, machen wir ganz. Ich will nicht lebenslänglich im Rollstuhl durchs Gefängnis fahren. Und Du wirst keinen anderen Fahrer nach mir mehr haben.“ Sanft drückt er das Gaspedal immer weiter runter. 250, 260, 280, 290, 300. In atemberaubender Geschwindigkeit jagt der Wagen über die Bahn. Die Landschaft fliegt verzerrt an ihm vorüber. Und wie ein Film läuft sein Leben vor ihm ab, wie in Zeitraffer. Die immer wieder neuen Hoffnungen, und die immer wieder darauf folgenden Enttäuschungen. Bis die Hoffnungslosigkeit kam und ihn mehr und mehr ausfüllte. Da ist die Sperre. Flüchtig erkennt er ein schweres Maschinengewehr. „Na Blauer, viel Ehre für uns, was.“ 310, 320, 323, Maximum. Ein gewaltiger Aufschlag, der Wagen hebt ab. Dann eine ungeheure Explosion, Feuer, Rauch. Schwärze. Er war heimgekehrt.
Der Schnäppchen-Mann oder Homo oekonomicus (03.07.2023)
Die Geschichte ging los, als Herr Leo aus T. folgende Anzeige las: „Die Mutter aller Schnäppchen: extrem billige Bohnenkonserven, nur 20 Cent pro Büchse. Warten Sie nicht zu lange, sorgen Sie vor – bevor der Russe kommt.“
Herr Leo aus T. überlegte nicht, ob der Russe wirklich kommen würde. Mit solchen Details sich abzugeben, wäre Pedanterie. Hauptsache billig. Er kaufte 1000 Konserven und hatte ein wunderbares Gefühl, für alles gerüstet zu sein. Allerdings türmten sich jetzt in seiner ganzen Wohnung Konservenpyramiden, so konnte er in der vollgeräumten Wohnung nur noch das Badezimmer richtig benutzen. Aber wie er sich sagte: „Irgendwas ist halt immer.“
Oft ärgerte sich Herr Leo aus T. über die hohen Benzinpreise. Er gewöhnte sich daher an, wenn er einen Berg runterfuhr, kein Gas zu geben – und freute sich tierisch, wie in der digitalen Multifunktionsanzeige der Benzinverbrauch immer weiter runter ging. Manchmal fuhr er extra einen hohen Berg erst hoch, um sich dann beim Herabrollen an dem Absturz der Verbrauchswerte zu ergötzen: 8,0 Liter – 7,6 – 7,2 – 6,9 – 6,5.
Einmal fuhr er einen ihm unbekannten, neuen Berg runter – da kam ein Schild mit der Warnung: „Tempo 40, scharfe Kurve“. Aber Herr Leo aus T. sagte sich: „Ich darf nicht auf die Bremse gehen, dann ist mein Spareffekt ja geringer.“ Leider schlidderte Herr Leo aus T. deshalb mit Tempo 100 in der Kurve gegen die Leitplanke. Er hatte einen Schaden von 1500 € an seinem Auto, bekam außerdem ein Bußgeld von 500 €. Doch Herr Leo aus T. ließ sich nicht verdrießen: „Immerhin, ich habe toll Benzin gespart, man darf sich das durch solche Kollateralschäden nicht vermiesen lassen.“
Neulich bekam Herr Leo aus T. Post von seiner Krankenkasse: „Schließen Sie eine Zahnzusatzversicherung ab. Dann können Sie sich auch in Zukunft ästhetische Zahnbehandlungen leisten, Sie behalten Ihre Arbeitsstelle und können weiter die Beiträge für Ihre Krankenkasse bezahlen. Kostenerstattung ohne Wartezeit.“ Das überzeugte Herrn Leo aus T. Er schloss sofort die Versicherung ab und raste dann zum Zahnarzt.
„Herr Doktor, machen Sie mir die beste Zahnbehandlung. Geld spielt keine Rolle.“
Der Zahnarzt untersuchte ihn gründlich und schüttelte dann bedauernd den Kopf.
„Tut mir leid, Herr Leo aus T., aber Ihre Zähne sind in bester Ordnung. Das ist nichts dran zu machen. Sie ernähren sich offensichtlich sehr gut. Was essen Sie denn?“
„Nun ja, Bohnen!“, murmelte Herr Leo aus T.
„Was Sie nicht sagen ...“
Herr Leo aus T. ging traurig nach Hause. Aber so schnell würde er sich nicht geschlagen geben. Er würde ab sofort keine Bohnen mehr essen, die musste er ja sowieso aufheben für die Zeit, wenn der Russe kommt. Ab jetzt aß Herr Leo aus T. nur noch Schokolade, Süßspeisen, Eis, trank gezuckerte Babysäfte (Werbung: „gut fürs Kind“), Cola und doppelt gezuckerten Kakao.
Nach 3 Monaten ging er wieder zum Zahnarzt. Der schmunzelte. „Jetzt sieht die Sache schon viel besser aus, Sie haben 8 kaputte Zähne und brauchen 8 Implantate. Kostet ca. 16.000 Euronen, Späßchen.“
„Na also“, sagte Herr Leo aus T. „Es geht doch. Dann man los.“ Angenehm war die Behandlung nicht, aber Herr Leo aus T. hatte das gute Gefühl, seine Versicherung nicht umsonst abgeschlossen zu haben.
Als die Rechnung vom Zahnarzt kam, schickte er sie seiner Zusatzversicherung. Bald kam die Antwort. „Sehr geehrter Herr Leo aus T., leider können wir Ihnen nur für 4 Implantate die Kosten erstatten, und auch nur zu 70%. Lesen Sie mal die Vertragsbedingungen.“
„Na ja“, sagte Herr Leo aus T., und nahm eine extra starke Schmerztablette, weil die Implantate schmerzten. „Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. Und wo gebohrt wird, da fallen eben Zähne. Das darf man nicht so eng sehen. Jedenfalls hat sich der Abschluss der Versicherung gelohnt.“
Kürzlich ging Herr Leo aus T. an einem Kaufhaus vorbei. Im Fenster lagen Kleider für kleine Mädchen, im Alter von 3-5 Jahren. Auf einem Schild stand: „Nur heute. Supersonderangebot. 1 Kleid für 2 €, 4 Kleider für 6 €, 10 Kleider für 14 €.“
Das war für Herrn Leo aus T. keine Frage. Er kaufte 10 Kleider. Zu Hause fiel ihm ein: Er hatte ja gar keine Töchter, kannte auch keine kleinen Mädchen in der Verwandtschaft. Aber dieses Problem ließ sich leicht lösen: Er würde sich eine Frau suchen, am besten eine Frau Lea aus T., die würde er heiraten, dann mit ihr 5 Töchter zeugen, jede Tochter bekäme 2 Kleidchen; wenn sie jedes Jahr ein Mädchen bekämen, hätten sich die Kleider nach etwa 8 Jahren voll amortisiert.
Aber dann überkamen Herrn Leo aus T. doch Zweifel: „Was ist, wenn meine Frau Söhne produziert? Man weiß bei den Frauen ja nie, richtig zuverlässig sind sie nicht.“ Was nun? Herr Leo aus T. hatte eine tolle Idee: Er ließ sich aus den 10 Kleidchen ein Clownkostüm für Karneval schneidern. Gut, mit 100 € Schneiderkosten war es nicht ganz billig, außerdem ging er nie zum Karneval, und Clowns konnte er schon gar nicht leiden. Aber der Stoff war wenigstens ein irres Schnäppchen gewesen. „Etwas Schwund ist eben immer“, sagte sich Herr Leo aus T. zufrieden. Und es heißt doch: „Einem Schnäppchen schaut man nicht ins Maul – oder so ähnlich.“
Aber eine Sache wurmte Herrn Leo aus T. noch: Die Bohnen. Der Russe war noch immer nicht einmarschiert. Also hatte er die Bohnen nutzlos gekauft. So einen Verlust konnte er schlecht verwinden.
Daher begann er zu überlegen, wie er den Russen zum Einmarsch motivieren könnte. Am besten wäre, er könnte einen dritten Weltkrieg auslösen. So gab er bei Google ein: „Wie löse ich einen Weltkrieg aus?“. Da kamen Einträge wie „Weltkrieg sale“ oder „Weltkrieg – heute nur noch 3,99 €“, aber leider nichts Brauchbares. 3,99 € waren Herrn Leo aus T. übrigens auch zu teuer für einen Weltkrieg.
Doch da kam ihm sein Nachbar, ein ausgesprochener Scherzbold, zur Hilfe. Herr Leo aus T. hatte ihm von den Bohnen und dem Russen erzählt. „Warten auf den Russen, das ist jetzt mein Leben“, hatte er geklagt. Der Nachbar hämmerte daher eines Morgens gegen die Tür. „Wer da?“ rief Herr Leo aus T. „Der Russe“, schrie der Nachbar.
„Ich habe doch immer gewusst, dass sich der Kauf der 1000 Büchsen Bohnen irgendwann auszahlen wird“, flüsterte Herr Leo aus T. andächtig. Er machte die allergrößte Büchse Bohnen auf und fühlte sich unendlich glücklich. Er hatte alles richtig gemacht, sein Leben vollendete sich.